In Algerien sehnt sich nach einem jahrelangen Bürgerkrieg offenbar kaum jemand nach risikoreichen Veränderungen. Bei der Präsidentenwahl entfielen nach offiziellen Regierungsangaben vom Freitag 81,5 Prozent der Stimmen auf Amtsinhaber Bouteflika.
Sicherheit statt Reformen
Dass der 77-Jährige nach einem schweren Schlaganfall im Rollstuhl sitzt und kaum noch öffentliche Auftritte absolviert, störte die Wähler nicht. «Es ist gut, dass er weitermacht. Ich vertraue sonst niemanden», sagte ein Handyverkäufer nach der Wahl. Bouteflika stehe für Stabilität und Fortschritt.
Der Handyverkäufer verweist – wie viele andere Anhänger auch – im gleichen Atemzug auf die politische Instabilität und die Unruhen in den anderen Staaten der Region. «Schau' nach Ägypten, Libyen oder Tunesien. Wollen wir so etwas auch hier? Nein!», sagt er. Er sei stolz als Muslim in einem friedlichen, unabhängigen und freien Algerien zu leben.
Während die einen feiern, bleibt für die anderen der Frust. Diejenigen Oppositionellen, die wegen der vierten Kandidatur Bouteflikas zu einem Boykott des Urnengangs aufgerufen hatten, können immerhin die niedrige Wahlbeteiligung von gerade mal 52 Prozent als Erfolg verbuchen.
Benflis keine Alternative
Der als aussichtsreichster Gegenkandidat angetretene Ali Benflis kam nach vorläufigen amtlichen Zahlen lediglich auf 12,2 Prozent. Er und sein Lager sprachen umgehend von massiver Wahlfälschung.
Nicht wenige Algerier sahen in dem 69-jährigen Benflis allerdings alles andere als eine Alternative zu Bouteflika. Unter ihm als Ministerpräsident war beispielsweise 2001 das noch immer geltende Demonstrationsverbot für die Hauptstadt Algier erlassen worden. «Der kommt doch aus dem gleichen System», lautet eine verbreitete Meinung.
«Es ist wahrscheinlich, dass es Wahlfälschung gab, aber dass Bouteflika ohne sie nicht gewählt worden wäre, halte ich für unwahrscheinlich», kommentierte ein westlicher Wahlbeobachter hinter vorgehaltener Hand. Offiziell stellte zunächst keine Beobachtermission schwerwiegende Unregelmässigkeiten fest.
Riesige Gas- und Erdölvorräte
Die Europäische Union hatte nur eine Mini-Delegation entsandt. Vielen westlichen Staaten gilt das Algerien unter Bouteflika als treuer und enger Verbündeter im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus in der Region.
Angesichts der Spannungen mit Russland konnte der flächenmässig grösste afrikanische Staat zudem als Energielieferant noch wichtiger werden als bislang. Unter dem Wüstensand der Sahara liegen noch immer riesige Gas- und Erdölvorräte.
«Wir haben allen Reichtum, den wir brauchen. Wir müssen nur etwas daraus machen», sagt ein Student. Zusammen mit Kommilitonen plant er derzeit ein Bündnis für die erste wirklich friedliche Revolution in der arabischen Welt. «Wir werden das System mit unseren guten Ideen erneuern», sagt der 22-Jährige: «Mit Wahlen kann man bei uns derzeit nichts erreichen.»