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Brexit vor dem High Court
Legende: Die Klage von Gina Miller wird vor dem High Court behandelt. Brexitgegner zeigen ihre Position mit der EU-Flagge. Keystone

International Brexit, aber wie genau? Richter haben das letzte Wort

Die britische Regierung will den Austritt aus der Europäischen Union ohne Einmischung des Parlaments verhandeln. Damit sind nicht alle Bürger einverstanden. Nun liegt der Fall vor der ersten Gerichtsinstanz.

SRF News: Die Briten haben für den Brexit gestimmt. Warum soll die Regierung nicht den Austritt aus der EU vollziehen dürfen?

Martin Alioth

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Porträt Martin Alioth

Der Grossbritannien- und Irland-Korrespondent von Radio SRF lebt seit 1984 in Irland. Er hat in Basel und Salzburg Geschichte und Wirtschaft studiert.

Martin Alioth: Das soll sie durchaus dürfen. Niemand will auf parlamentarischem Weg den Entscheid des Referendums rückgängig machen. Die Austrittserklärung soll noch vor Ende März nach Brüssel geschickt werden. Die Kläger stellen sich auf den Standpunkt, dass diese Austrittserklärung aufgrund Paragraf 50 des Lissaboner Vertrags Rechte von Britischen Untertanen unwiderruflich kassiert. Das sei ohne einen Parlamentsbeschluss von London nicht möglich. Das Parlament müsse konsultiert werden.

Zu den Klägern gehört unter anderem die Finanzunternehmerin Gina Miller. Was ist ihre Motivation für diese Klage?

Sie sagt, es sei letztlich eine staatsbürgerliche Sorge. Sie gibt zu, dass sie für den Verbleib in der EU gestimmt hat. Doch sie wolle ein für alle Mal abklären, wo die Grenzen zwischen der Exekutive und der Legislative liegen. Das Vereinigte Königreich hat ja keine geschriebene Verfassung, sondern einen Wust von Gerichtsurteilen und Parlamentsbeschlüssen aus mehreren Jahrhunderten und Konventionen. Darum, sagt sie, brauche es dazu einen Gerichtsbeschluss.

Die Regierung sagt, sie habe die Vollmacht, den Austrittsprozess ohne das Parlament einzuleiten. Auf welches Recht beruft sie sich?

Sie beruft sich letztlich auf alte monarchische, königliche Vorrechte. Es gibt diese Vorrechte, die sogenannten Royal Prärogative, immer noch. Sie werden nicht durch die Königin ausgeübt, sondern durch die Regierung. Die Regierung stellt sich auf den Standpunkt, dass das Referendumsergebnis als solches sie dazu legitimiere. Die Kritiker meinen, das stimme nicht.

In der britischen Verfassungssammlung sind Referendumsabstimmungen – im Gegensatz zur Schweiz – nicht vorgesehen. Das britische Parlament hat zwar mit einem Gesetz diese Volksabstimmung anberaumt und bewilligt, aber das Resultat bleibe bloss konsultativ. Die Kläger behaupten, es müsse nach dem Referendum noch ein Parlamentsbeschluss gefällt werden, damit man diese Austrittserklärung tatsächlich nach Brüssel schicken kann.

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Was sagen Juristen?

Es kommt darauf an, wen man fragt. Die Meinungen sind ziemlich polarisiert. Die einen sagen, die Kläger wollten eigentlich nur den Referendumsentscheid rückgängig machen, was nicht stimmt. Die Vertreter der Kläger sagen – mit einiger Ironie –, es sei doch pervers, dass dieses Referendum unter der Voraussetzung durchgeführt worden sei, dass das britische Parlament seine Souveränität wiedergewinnen solle und nun, bei der ersten Gelegenheit, wo diese ausgeübt werden könnte, werde es ausgeschaltet.

Am Schluss wird wohl der Supreme Court entscheiden müssen. Wenn die Regierung zurückgepfiffen wird und es einen Parlamentsbeschluss braucht, was hätte das für Auswirkungen?

Es wäre ein Gesichtsverlust für die forsche Vorgangsweise der Regierung May. Ich glaube auch, dass das Parlament in einem solchen Fall befugt wäre, Aufschluss darüber zu erhalten, was denn das Fernziel der britischen Regierung bei diesen Verhandlungen sei. Das hat die Labour-Party in den letzten Tagen explizit verlangt.

Es geht nicht um ein ganz konkretes Mandat, das wäre politisch und diplomatisch unsinnig. Aber es geht doch um grobe Umrisse des Verhandlungsziels. Letztlich geht es auch um die Anmassung der Regierung May. Sie geht davon aus, dass sie genau wisse, was das Volk gemeint habe am 23. Juni. Für sie ist es vor allem die Einwanderungskontrolle.

Dann gilt es zu prüfen, wie viel Zugang zum Binnenmarkt übrig bleibt. Die Labour-Partei und andere Kräfte im britischen Parlament sagen, die Konservativen hätten in ihrem Wahlmanifest garantiert, der Zugang zum Binnenmarkt sei sakrosankt. Dem widersprächen sie nun.

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