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International Brüssel präsentiert Leitfaden gegen Sozialtourismus

Die volle Personenfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren seit dem 1. Januar beherrscht die Schlagzeilen in Europa. Von Sozialtourismus ist die Rede. Nun veröffentlicht die EU-Kommission einen Leitfaden. Er zeigt, wer welche Sozialhilfekosten in der EU zu tragen hat.

Roma, Bulgaren, Sozialtourismus, Personenfreizügigkeit: Darüber diskutiert derzeit nicht nur die Schweiz, darüber diskutiert man auch in einigen EU-Staaten. Nun hat sich die EU-Kommission wieder einmal in die Diskussion eingeschaltet.

Die Zentrale sieht ihre Rolle darin, die Aufregung in einigen Mitgliedstaaten zu beruhigen und die Debatte zu versachlichen. Zum Beispiel mit einem Handbuch zur Bestimmung, welches Land die Sozialhilfekosten eines mobilen EU-Bürgers zu tragen hat.

Der Leitfaden ist 54 Seiten lang, sein Titel sperrig: «Die Gesetzgebung, die für Erwerbstätige in der EU, im EWR und in der Schweiz gilt», heisst er. Neues steht nicht drin, die EU-Kommission kann und will die Personenfreizügigkeit nicht verändern oder einschränken.

«Emotionalisierte, irregeleitete Diskussionen»

Und so tat EU-Sozialkommissar Laszlo Andor vor den Medien in Brüssel erst gar nicht so, als ob dieser Leitfaden viel verändern würde. «Die vielen Diskussionen um die Personenfreizügigkeit sind nicht darauf zurückzuführen, dass ein solcher Leitfaden bis heute gefehlt hätte», sagte er. Vielmehr gebe es neue Formen von Mobilität unter den EU-Bürgern. «Und auch der politische Kalender – also Wahlen und Abstimmungen – führt in manchen EU-Ländern zu emotionalisierten, irregeleiteten Diskussionen.»

Porträtbild des EU-Arbeitskommissars Laszlo Andor.
Legende: Wirbt für eine sachliche Debatte: EU-Kommissar Andor. Keystone

Andor dachte zum Beispiel an Grossbritannien. Premier David Cameron hat dort kürzlich gefordert, dass Erwerbstätige vom Staat keine Kinderzulagen mehr erhalten sollen für Kinder, die nicht in Grossbritannien leben. Eine Forderung, die Andor zurückwies: «Wir schliessen natürlich alles aus, was zur Ungleichbehandlung von Erwerbstätigen verschiedener Nationalität führen würde.»

Die EU-Kommission will die Personenfreizügigkeit nicht erschweren, im Gegenteil: «Wir unternehmen alles, um EU-Bürgern die Arbeitsaufnahme in einem andern EU-Land zu erleichtern.» Zur Begründung verwies EU-Kommissar Andor auf die Statistiken. Von der Personenfreizügigkeit profitieren demnach sowohl die Wirtschaft, als auch die Sozialsysteme der Gastländer. Denn unter dem Strich finanzieren die mobilen EU-Bürger den Sozialstaat stärker, als dass sie ihn beanspruchen.

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Bestehende Gesetze regeln Bleiberecht

Dass es Fälle von Missbrauch und Sozialtourismus gibt, bestritt auch Andor nicht. Doch viele Fälle seien das nicht. «Denn die Behörden der Mitgliedstaaten verstehen mehr und mehr, dass EU-Bürger kein end- und bedingungsloses Bleiberecht haben.» Der EU-Kommissar lud alle Interessierten ein, die bestehenden Gesetze und Paragrafen gegen Sozialhilfemissbrauch zu studieren und die tatsächlichen Probleme damit zu lösen.

Tatsächlich gibt die EU-Personenfreizügigkeit nur denjenigen Menschen ein Bleiberecht, die über Arbeit oder über ausreichende Mittel für ihren Lebensunterhalt verfügen. Alle anderen dürfen drei Monate bleiben, oder sechs, wenn sie Arbeit suchen.

Sozialhilfe und Arbeitslosengeld muss ein Gastland in dieser Zeit nicht bezahlen, dafür bleibt das Herkunftsland zuständig. Und wer keine Arbeit findet, muss damit rechnen, dass er wieder nach Hause geschickt wird. Er hat kein Bleiberecht, Personenfreizügigkeit hin oder her.

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