Der britische Premierminister David Cameron kommt immer stärker unter Druck. Und zwar aus den Reihen der eigenen, konservativen Partei: Zuerst stand er wegen seiner EU-Politik in der Kritik. Rebellen des rechten Parteiflügels hatten dem Premierminister bei einer Abstimmung über seine Europapolitik eine Ohrfeige verpasst.
Am Montag gab es erneut eine grössere Zahl von Abweichlern bei einer Abstimmung zur Schwulen-Ehe. Cameron war gezwungen, den Fraktionszwang aufzuheben, um eine offene Revolte zu verhindern. Er konnte das Gesetz schliesslich nur mit Hilfe der oppositionellen Labour-Partei auf den Weg bringen.
Cameron distanziert sich von Ausdrucksweise
Am Wochenende hatten Zeitungen berichtet, ein Parteifunktionär aus Camerons engerem Zirkel habe die Abweichler als «verrückte, schielende Lümmel» bezeichnet. Cameron distanzierte sich von dieser Art von Rhetorik.
Er sei stolz, diese Partei zu führen, schrieb der britische Regierungschef in einer E-Mail an seine Parteikollegen. Er werde es nicht zulassen, dass in seinem Führungszirkel Leute arbeiten, die andere Parteimitglieder verhöhnten.
Konkurrenz von rechts für Tory-Partei
Einflussreiche Konservative warnen bereits, der Premier verliere die Kontrolle über seine Partei. «Es wird immer deutlicher, dass wir es bei Cameron und seinen Beratern (...) mit einer Gruppe urbaner, meist wohlhabenden, tendenziell liberalen Politikern zu tun haben», erklärt SRF-Korrespondent Martin Alioth.
Diese stünden einer Parteibasis gegenüber, die stark geschrumpft sei seit Margaret Thatchers Zeiten, die eher einen ländlichen Hintergrund habe und wesentlich wertkonservativer sei als die Führungsgruppe, sagt Alioth. Mit Gesetzen wie jenem zur Legalisierung der Homo-Ehe stosse Cameron deshalb auf Widerstand.
Die Leute würden sich fragen, «weshalb sind wir überhaupt noch Konservative?», so Alioth weiter. «Man darf nicht vergessen, dass die Tories unter grossem, neuartigem Druck stehen, weil es plötzlich eine rivalisierende Partei rechts von ihnen gibt.» Gemeint ist die United Kingdom Independence Party (kurz UKIP), die genau die Wählerschichten abholt, die sich von Cameron nicht vertreten fühlen.