Zum Inhalt springen

International «China drängt seine Fabrikbesitzer, im Ausland zu investieren»

Der neue Mittelstand in China wolle sein Geld sicher investieren und mache das in den USA, meint Stanley Kwong, Professor für Marketing an der University of San Francisco. Der chinesisch-amerikanische Doppelbürger kennt beide Länder, unter anderem als Manager bei der Computerfirma IBM.

Stanley Kwong
Legende: Bürobauten sind für Chinesen attraktiv als Investition, sagt Stanley Kwong, Professor an der Universität San Francisco. USF

SRF News: Immobilienmakler beobachten, dass immer häufiger Menschen aus China Häuser in grossen Städten der USA kaufen. Sehen Sie diesen Trend ebenfalls?

Stanley Kwong: Oh ja. Ich lebe in einem Quartier in San Francisco in der Nähe der Golden Gate Bridge. Wenn ein Haus in meinem Quartier verkauft wird, so ist das in letzter Zeit stets entweder ein junger Technologie-Unternehmer mit Kapuzenpullover oder ein Mensch aus China.

Wird dieser Trend zunehmen?

Auf jeden Fall. Ich sehe sogar, dass chinesische Bürger sich stärker für Geschäftsbauten oder ganze Wohnblöcke interessieren. Das sehen wir beim gigantischen Projekt namens Lumina hier in San Francisco. Das sind zwei Wolkenkratzer mit Luxuswohnungen. Ich gehe davon aus, dass rund 40 Prozent dieser Wohnungen von Chinesen gekauft werden, als Zweitresidenz in Nordamerika. Es gibt drei weitere Überbauungen, für die gilt dasselbe. Auch Geschäftsimmobilien oder Bürobauten sind für Chinesen als Investition sehr attraktiv.

Weshalb kaufen Chinesen Immobilien auf?

Nordamerika ist ein sicherer Ort, der politisch stabil ist. Chinesen können Nordamerika mit einem Zehnjahres-Visum besuchen. Zudem möchten reiche Chinesen ihre Kinder im Ausland ausbilden lassen. Im letzten Jahr lebten 345‘000 chinesische Studierende in den USA. Das sind nicht mehr die armen Menschen vom Land, die dank Stipendien hier studieren können. Eine Studie der US-Regierung zeigte, dass gegen 70 Prozent die Studiengebühren selber bezahlen. Das sind rund 20 Milliarden Dollar! Viele dieser jungen Menschen, die in Wisconsin oder Iowa, Nebraska oder Texas studiert haben, wollen eine Zweitresidenz in den USA kaufen, aber nicht im mittleren Westen. Sie kaufen deshalb etwas in San Francisco oder in New York. Das wirkt sich nun auf den Immobilienmarkt in diesen Städten aus.

Manche Beobachter sagen, dass Chinesen in die USA investieren, weil sie dem chinesischen Staat nicht trauen.

Das sehe ich nicht als Grund. Neunzig Prozent der Studenten in den USA kehren nach China zurück. Auch früher wollten Chinesen im Ausland Häuser kaufen, sie taten es einfach in Hong Kong. Viele Leute denken, die Immobilien seien in San Francisco teuer. Doch sie sind billiger als in Shanghai oder Hong Kong. Es gibt heute 400 Millionen Menschen in China, die zum Mittelstand gehören. Sie wollen ihr Geld investieren. Sie trauen der chinesischen Börse nicht. Sie vermögen vielleicht kein Haus in Shanghai, in San Francisco aber schon.

Ist der Kapitalexport aus China heute erlaubt?

Die Restriktionen sind jüngst gelockert worden. Und die chinesische Regierung schreibt Fabrikbesitzern sogar vor, dass sie im Ausland investieren sollen. Zudem sollen sie vom Ausland lernen. China möchte nicht mehr die Werkbank der Welt sein, sondern eine Dienstleistungswirtschaft werden. Die Regierung hat Angst, von Ländern überholt zu werden, die noch billiger produzieren. So wie in den neunziger Jahren Thailand und Malaysia von China überholt wurden.

Welche Sektoren interessieren die chinesischen Investoren?

Chinesen investieren stark in die technologische Innovation hier im Silicon Valley. Sie wollen die elektronischen Geräte nicht mehr nur herstellen, sondern auch weiterentwickeln und designen können. Aber es geht beide Wege: Firmen hier in den USA möchten Zugang zum grossen chinesischen Markt und gehen deshalb auch Partnerschaften ein und investieren auch dort.

Wie gut integriert sind die chinesischen Unternehmer in den USA?

Hier ist der Vergleich mit japanischen Geschäftsleuten interessant. Als Honda und Toyota vor langer Zeit hier investierten, blieben die Japaner unter sich. Bei den Chinesen ist das anders: sie sind stärker integriert, wegen der grossen chinesischstämmigen Gemeinschaft. Hier in San Francisco macht sie sogar einen Viertel der Bevölkerung aus. Deshalb werden die chinesischen Zuzüger länger hier bleiben.

Meistgelesene Artikel