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Chinesische Frau, die ihr Baby mit einem Fläschen füttert.
Legende: Mit der Ein-Kind-Politik wollte China bisher das Bevölkerungswachstum kontrollieren. Keystone

International China will Ein-Kind-Politik lockern

Die Kommunistische Partei Chinas kündigt die grössten Reformen seit Jahrzehnten an. So will das Land die Ein-Kind-Politik weiter lockern und die Umerziehungslager für Regimegegner abschaffen. Geplant ist sodann die stärkere Öffnung der Wirtschaft für privates und ausländisches Kapital.

Mit der grössten Reform seit Jahrzehnten will die chinesische Führung das Land stärker auf Marktwirtschaft trimmen und den Bürgern mehr Freiheiten gewähren. Dies geht aus dem in Peking veröffentlichten Abschlussdokument des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei hervor.

Ein zentraler Punkt ist dabei die weitere Lockerung der Ein-Kind-Politik, die das bevölkerungsreichste Land der Erde seinen Menschen seit dem Ende der 1970-er Jahre verschrieben hat. Sie gilt heute noch für etwa 63 Prozent der Bevölkerung.

Neu wird es damit offenbar in Städten möglich werden, dass ein Paar zwei Kinder haben kann, auch wenn nur ein Elternteil aus einer Ein-Kind-Familie stammt. Bislang mussten beide Elternteile aus Ein-Kind-Familien abstammen, um auch zwei Kinder in die Welt setzen zu können, wie ARD-Korrespondentin Ruth Kirchner gegenüber SRF erklärt. Auf dem Land dagegen werde voraussichtlich eine Familie weiterhin nur zwei Kinder haben können, wenn das Erstgeborene ein Mädchen sei.

Kindersegen unwahrscheinlich

Wie sich die von Experten schon lange geforderte Änderung der Familienplanungspolitik auf die Wirtschaft auswirkt, ist laut Kirchner abzuwarten. Zwar werde die Lockerung sicher begrüsst. Zum plötzlichen Kindersegen werde dies aber wohl kaum führen, denn viele Junge wollten mit Blick auf die finanziellen Belastungen nur ein Kind. Es werde sich deshalb an der Alterungspyramide kaum viel ändern, und schon dieses Jahre werde China die 200-Millionen-Marke bei den über 60-Jährigen überschreiten.

Die nur zögerliche Abkehr der Regierung von der Ein-Kind-Politik hat laut Kirchner verschiedene Gründe: So habe es riesige Kosten verursacht, diese Politik durchzusetzen und durchzuhalten. Angesichts all der Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisierungen habe die die Regierung unter ständigen Rechtfertigungsdruck gestanden.

Der Staat plant bei den Kindern weiterhin mit

Die in der Partei sehr mächtige Familienplanungskommission habe denn auch sehr deutlich gemacht, dass von einer Abschaffung der Ein-Kind-Politik noch für Jahre nicht die Rede sein kann, wie Kircher darlegt: «Die Behörden nehmen weiterhin für sich in Anspruch, die Bevölkerung von oben steuern zu wollen. Ob das gelingt, steht auf einem anderen Blatt.»

Die Ein-Kind-Politik hat zu unerwünschten Nebenwirkungen geführt. Dazu gehört die dramatische Verschiebung des Geschlechterverhältnisses. Bis 2020 wird es beispielsweise rund 24 Millionen Männer zu viel geben im Vergleich zu den Frauen. Wenn zudem die Zahl der billigen Arbeitskräfte in den nächsten Jahren deutlich abnimmt, wird dies zu Lohnsteigerungen führen und China könnte wirtschaftlich ins Hintertreffen geraten.

Umerziehung durch Arbeit soll abgeschafft werden

Die Entscheidung, das System der «Umerziehung durch Arbeit» abzuschaffen, gehöre zu mehreren Schritten, mit denen die «Menschenrechts- und juristischen Methoden verbessert werden» sollten, berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua weiter.

Gemäss Schätzungen gibt es laut Kirchner heute noch 300 solcher Lager für Straftäter und Regimegegner – mit 100‘000 bis 200‘000 Insassen. Sie werden dort von der Polizei eingeliefert, wobei die Lagerhaft ohne Richterspruch von wenigen Tagen bis zu drei Jahren dauern und um ein Jahr verlängert werden kann. Selbst Rechtsexperten in China beurteilten dies nicht mehr als zeitgemäss und mit einer modernen Verfassung unvereinbar, erklärt Kirchner.

Finanzpolitische Reformen

Um der schwächelnden zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt neuen Schwung zu geben, will China zudem den Finanzsektor öffnen und «kleinere und mittlere» private Banken zulassen. Investoren sollen auch Anteile an Staatsbetrieben erwerben können. Im Markt sollen gemischte Besitzverhältnisse mit privaten und staatlichem Kapital entwickelt werden.

Über die Reformen hatte von Samstag bis Dienstag das 376-köpfige Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Peking beraten. Es war das dritte Plenum seit dem KP-Kongress vor einem Jahr, als die neue Führungsriege um Staatschef Xi Jinping bestimmt worden war.

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