1 Jahr nach dem Unglück der Costa Concordia
Unweit der italienischen Insel Giglio erinnert das Wrack an das Unglück vom 13. Januar 2012. Die Hälfte des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia ragt aus dem Wasser. Die Bergungsarbeiten kommen nur schleppend voran. Schon 2012 hätte das Schiff geborgen werden sollen. Der Termin wurde auf Mai dieses Jahres verschoben. Jetzt erscheint auch der unwahrscheinlich. Vermutlich wird es September.
Vom Kapitän zum «Feigling»
Ein Blick zurück – was passierte damals, an besagtem Freitagabend Mitte Januar? Die Costa Concordia rammte einen Felsen. Der Rumpf wurde aufgeschlitzt, das Schiff kenterte. 32 Menschen mussten sterben, zwei gelten noch als vermisst. Augenzeugen berichteten damals, das Schiff sei ungewöhnlich nahe an die Insel herangekommen. Der riskante Kurs soll gewählt worden sein, um die Bewohner Giglios zu «grüssen» und den Passagieren etwas zu bieten. Doch die so genannte Verneigung vor der Insel missglückte.
Kapitän Francesco Schettino mutierte während der Tragödie zum Anti-Helden – italienische Medien tauften ihn «Kapitän Feigling» genannt. Nach der Kollision fehlte plötzlich jede Spur von ihm. Schettino sagte später aus, er sei versehentlich in ein Rettungsboot gefallen und so an Land gekommen. Als ihn die Küstenwache aufforderte, auf das sinkende Schiff zurückzukehren, weigerte er sich. Das zeigen Mitschnitte eines Telefongesprächs.
Die Reederei Costa Crociere hat den Kapitän entlassen. Grund: Er soll für das Unglück verantwortlich sein. Schettino hingegen warf der Reederei vor, sie habe das gefährliche Manöver angeordnet.
Schettinos Verhalten beschäftigt damals wie heute die Ermittler. Er dürfte auch im Zentrum des Prozesses stehen. Wann dieser beginnt, ist allerdings nicht bekannt.
Chaos auf der Brücke
Der Fall ist komplex. Das belegen jene 50‘000 Aktenseiten, die die Ermittler inzwischen angesammelt haben.
Was aus den Unterlagen hervorgeht, lässt sich mit dem Begriff «Chaos» zusammenfassen. Chaos herrschte auf der Kommandobrücke, da sich die Crew teilweise nicht verständigen konnte. Wertvolle Sekunden gingen verloren. Chaos herrschte auch bei den Rettungsbooten – wegen der Schräglage der Costa.
Hoffen auf das grosse Geld
Die Bewohner Giglios sehnen den Moment herbei, an dem das Wrach endlich verschwindet. 30 Prozent weniger Touristen seien vergangenen Sommer angereist, klagte der Gemeindesprecher. Die Tausenden Schaulustigen änderten nichts an der Situation – sie blieben nur für wenige Stunden.
400 Spezialisten arbeiten derzeit Tag und Nacht daran, das halb versunkene Schiff fürs Abschleppen bereit zu machen. Widrige See und die schwierige Bodenbeschaffenheit sorgten für Verzögerungen. Experten schätzen die Kosten der Bergung auf etwa 300 Millionen Euro. Anfangs war man von 230 Millionen ausgegangen.
Die Reederei hat den Betroffenen der Havarie ein pauschales Entschädigungsangebot gemacht. Viele haben es angenommen. Andere vertrauen US-Anwälten. Von ihnen erhoffen sie sich sehr viel mehr Geld.