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Die russische Flagge an einem kleinen Metalpfosten auf dem Meeresgrund
Legende: Auch Russland erhebt Anspruch auf die Arktis – seine Flagge steht bereits auf dem Meeresgrund unter dem Nordpol. Keystone

International Dänemark beansprucht den Nordpol für sich

Der Nordpol ist begehrt. Aber es ist nicht die landschaftliche Schönheit, die lockt. Es sind die wertvollen Bodenschätze dort. Nach Russland und Kanada erhebt nun auch Dänemark Anspruch auf das 900'000 Quadratkilometer grosse Gebiet.

Sieben Jahre sind vergangen, seit Marinetruppen auf dem Meeresgrund der Hocharktis in einer Nacht-und-Nebel-Aktion eine russische Flagge aufstellten – und damit das Rennen auf den Nordpol eröffneten. Heute erhebt das kleine Dänemark seinen Anspruch, ganz unbescheiden nicht nur auf den Nordpol, sondern gleich auch noch auf ein fast eine Million Quadratkilometer grosses Seegebiet nördlich von Grönland. Ein verwegener, mutiger und möglicherweise erfolgreicher Plan.

«Da ist ein Meilenstein unserer Aussenpolitik», sagte der dänische Aussenminister Martin Lidegaard, als er in Kopenhagen die dänische Eingabe an die für Seerechtsfragen zuständige Kommission der UNO überreichte. Für einmal kommt eine solche Aussage fast einer Untertreibung gleich. Denn was Dänemark heute machte, ist historisch betrachtet ein einmaliger Vorgang.

Dänemark begeht historische Frechheit

Oder besser: Eine historische Frechheit. Das kleine nordische Land, kaum grösser als die Schweiz, nimmt es geopolitisch mit den grössten Mächten rund um die Arktis auf: mit Russland, Kanada, den USA und sogar mit China. Die vier Grossen erheben nämlich ebenfalls weitgehende Ansprüche auf die vielleicht grösste noch ungenutzte Rohstoffkammer der Erde, das Gebiet nördlich des Polarkreises.

Dänemarks Schritt, als erstes Land gegenüber der UNO und damit der Weltöffentlichkeit Klartext zu reden, ist aber nicht nur verwegen, sondern hat Methode und ist rechtlich abgesichert. Vor genau zehn Jahren hat das Parlament in Kopenhagen als erster Arktisanrainerstaat die entsprechende UNO-Konvention ratifiziert – und nutzte nun den letzten Tag der Frist, um in einer umfassenden Dokumentation zu erklären, weshalb gleich das ganze Nordpolgebiet bis hin zu den 200-Meilen-Grenzen Russlands und Kanadas zu Dänemark gehören soll.

Grönland ist Dänemarks Ass im Ärmel

Dabei setzt Dänemark auf die Karte Grönland. Die grösste Insel der Welt strebt zwar selbst die Unabhängigkeit an, wird aber derzeit mindestens aussenpolitisch noch immer noch vom fast 3000 Kilometer entfernten Kopenhagen regiert. Und mit Grönlands topografischer Verlängerung unter der Wasseroberfläche wird nun der enorme Gebietsanspruch, der 50 Mal der Fläche Dänemarks entspricht, legitimiert.

Kopenhagen investiert gegenwärtig über eine Viertelmilliarde Franken in ein eigenes Satellitensystem für die Überwachung der Arktis, betreibt im Norden Grönlands eigene Militärstützpunkte und lässt staatliche Hundeschlittenpatrouillen über den gigantischen Eispanzer Grönlands jagen. Gegenüber den machtpolitischen und militärischen Möglichkeiten der grossen Nachbarn im höchsten Norden ist das zwar wenig, aber bei den zuständigen UNO-Behörden könnte dies ankommen.

Bereits im Frühjahr gewann nämlich Dänemark einen Probelauf vor der UNO und erhielt den Zuschlag für ein Gebiet von fast 90’000 Quadratkilometern im Nordatlantik, auf das auch Norwegen und Island Anspruch erhoben hatten. Nun aber sitzen die Rivalen in Moskau, Ottawa, Washington und Peking. Und es geht um ein über zehn Mal so grosses Gebiet – inklusive dem Nordpol, dem vielleicht letzten besitzlosen Kronjuwel der Geopolitik. Kein Wunder spricht der dänische Aussenminister von einem Meilenstein.

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