Eigentlich gehen die Lehrkräfte der kleinen Schule im süddänischen Gråsten jeden Morgen den ganzen Weg zur Arbeit. Doch seit dem 2. April ist für die meisten von ihnen alles anders. Nun endet ihr Arbeitsweg vor den Toren der Schule.
Dort warten sie den ganzen Tag. Volkmar Koch ist der Schulleiter der kleinen deutschen Schule in Dänemark. Er sagt: «Die Lehrer zeigen den Eltern, dass sie gerne arbeiten wollen, aber nicht dürfen.»
Der Streit ist eskaliert
Die verzwickte Lage ist das Resultat einer Entwicklung eines Tarifkonflikts. Die dänischen Gemeinden fordern: Lehrer aller Gesamtschulen sollen mehr und flexibler arbeiten. Das passt den Pädagogen gar nicht. Die Lehrergewerkschaft lehnt eine Erhöhung der Pflichtstundenzahl sowie mehr Entscheidungsfreiheit für die jeweilige Schulleitung bei der Festsetzung der Arbeitszeiten ab. Die Lehrer streiken. Der Streit eskaliert. Die Gemeinden sperren die gewerkschaftlich organisierten Lehrer aus.
Betroffen von der Aussperrung sind rund 700‘000 Schüler und 70‘000 Lehrer. Dazu zählen auch neun der zwölf Pädagogen der Schule in Gråsten. Sie dürfen nicht in die Schule. Die anderen drei sind nicht gewerkschaftlich organisiert, dürfen also in die Schule, aber keinen Unterricht leiten. «Die Lehrer dürfen nur die Kinder beaufsichtigen», sagt Koch.
Lernen per Radio und Internet
Doch das Angebot reicht bei weitem nicht für alle Schüler. Nur 70 der 130 Schüler könne Koch so versorgen. Die anderen bleiben zuhause. Die Eltern nehmen frei oder bringen die Kinder zu den Grosseltern.
Viele Radiosender und Internetseiten springen in die Bresche. Radio SRF- Nordeuropakorrespondent Bruno Kaufmann sagt: «Sie bieten Plattformen an, auf denen die Schüler weiterhin lernen können, so dass sie möglichst keinen Stoff verpassen.»
Trotz der dänischen Improvisationskunst kommen die Eltern «langsam in die Schwierigkeit, dass sie keine Betreuung mehr für ihre Kinder finden», sagt Schulleiter Koch. Langsam seien die Eltern frustriert und verärgert.
Greift die Regierung ein?
Ganz Dänemark wartet jetzt auf die Regierung. Sie kann den Streit per gesetzlichen Zwangseingriff beenden. Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt sagte allerdings vergangene Woche, sie betrachte die Aussperrung als «normalen Tarifkonflikt».
Der Zeitpunkt eines Eingriffs von oben ist nach wie vor offen. Schulleiter Koch hatte gehofft, dass der Konflikt Anfang dieser Woche beendet sein würde. Seine Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Jetzt gibt sich Koch weniger optimistisch: «Ich habe den Eindruck, dass es noch über den ersten Mai laufen wird.»