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International Das spanische Dilemma

Die Spanier sind erneut zur Wahl aufgerufen. Der Grund: Nach den Parlamentswahlen im Dezember haben die Parteien bei der Regierungsbildung versagt. Ob die Hängepartie nun ein Ende haben wird, steht in den Sternen. Eine Auslegeordnung.

Die Ausgangslage

Die Tage nach den Parlamentswahlen im Dezember 2015 waren für Spaniens Politiker ein Fiasko ohne Beispiel. Weil die Parteiführer sich nach einem halben Jahr nicht auf eine Koalitionsregierung einigen konnten, musste König Felipe VI. für den kommenden Sonntag Neuwahlen ansetzen.

Die Fakten

  • Spanien hat seit Dezember 2015 keine gewählte Regierung. Ministerpräsident Mariano Rajoy ist nur noch geschäftsführend im Amt und darum nur sehr eingeschränkt handlungsfähig.
  • Spanien droht nach der Neuwahl am Sonntag erneut ein politisches Patt. Wenn die Demoskopen richtig liegen, reicht es wie bereits im Dezember weder den Konservativen noch dem linken Lager für eine alleinige Mehrheit. Dabei hatten die Wähler schon beim Wahlgang Ende 2015 der Politik den Auftrag erteilt, ideologische Gräben zu überwinden und aufeinander zuzugehen.
  • Die Politiker geloben offenbar Besserung. Nach den Parlamentswahlen wollen sie möglichst rasch eine Regierung bilden.

Die Hauptdarsteller

Mariano Rajoy (PP), Pablo Iglesias (Podemos), Albert Rivera (Ciudadanos) und Pedro Sánchez (PSOE): Die persönliche Abneigung zwischen den Spitzenkandidaten ist gross.

Die Wahlchancen

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen wird es voraussichtlich wieder keinen klaren Sieger geben.

  • Laut Umfragen wird die konservative Volkspartei (Partido Popular, PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy meisten Sitze gewinnen. Eine ausreichende Mehrheit für die Bildung einer Einparteienregierung wird die PP aber verfehlen.
  • Nach übereinstimmenden Umfrageergebnissen dürfte die linke Protest-Partei Podemos («Wir können») zur zweitstärksten politischen Kraft aufsteigen – knapp vor Ciudadanos («Staatsbürger»), dem liberalen Pendant. Podemos tritt bei der Wahl in einem Bündnis mit der Vereinigten Linken (Izquierda Unida, IU) an.
  • Den Sozialisten (Partido Socialista Obrero Español, PSOE) droht erneut ein Debakel. Die Partei von Oppositionschef Pedro Sánchez, die bereits im Dezember das schlechteste Ergebnis in ihrer jüngeren Geschichte erzielt hat, muss weitere Stimmenverluste befürchten.

Wie geht es weiter?

  • Die möglichen Verlierer

    Die Chancen Rajoys zur Bildung einer Regierung könnten sich verschlechtern. Eine mögliche Koalition der PP mit den liberalen Ciudadanos hätte weniger Sitze als die Gesamtheit der Linksparteien. Zudem lehnen neben der Linken auch die Liberalen unter Parteichef Rivera eine Koalition mit Rajoy strikt ab.

    > Eine Regierungsbildung durch den vermeintlichen Wahlsieger PP scheint daher unrealistisch.
  • Die möglichen Sieger

    Ein bedeutender Wandel hat sich im Lager der Linken vollzogen. Podemos tritt in einem Wahlbündnis mit der Vereinigten Linken (IU) unter dem Namen Unidos Podemos («Vereint können wir es schaffen») an. Gemäss Umfragen dürfte diese Allianz die Sozialisten (PSOE) als stärkste Kraft der Linken ablösen.

    Podemos-Parteichef Iglesias liess im Januar aber verlauten, dass er sich unter gewissen Bedingungen auch ein Bündnis mit PSOE und IU vorstellen könnte. Zu dritt und mit der komplizierten Teilnahme weiterer Kleinstparteien würde dies für eine Mehrheit reichen. Sanchez (PSOE) lehnte jedoch ab. Dies will Iglesias wiederum als Aufruf an alle Linken nutzen, die vermeintlich koalitionswillige Podemos zu wählen, statt der «sturen» PSOE. Die Strategie könnte laut Experten aufgehen. > Eine Regierungsbildung durch Podemos scheint realistischer.
  • Das mögliche Zünglein an der Waage

    Spaniens Sozialisten befinden sich seit 2010 beim Wähleranteil im freien Fall. Bei den Neuwahlen droht ihnen mit Sánchez, der in der eigenen Partei umstritten ist, ein erneutes Debakel.

    Paradoxerweise könnten die PSOE trotz ihrer Schwäche nach der Wahl den Ausschlag zur Regierungsbildung geben. Die Sozialisten könnten Rajoy oder Iglesias zu einer Mehrheit verhelfen. Sánchez will bisher jedoch offiziell weder das eine noch das andere und hat das Angebot von Iglesias abgelehnt.

    > Sollte Sánchez nach der Wahl abtreten (müssen) und ein Nachfolger eine weichere Linie vertreten, wäre der Weg wohl eher für ein Links-rechts-Bündnis geebnet.

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