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Eine Fraue mit Mundschutz in Shanghai.
Legende: Smog gehört in Chinas Grossstädten – wie hier in Shanghai – zum Alltag. Reuters

International «Das Umweltbewusstsein in China ist stark gestiegen»

Klimasünder China hat kurz vor dem G20-Gipfel in Hangzhou das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Dies kommt wenig überraschend, sagt SRF-Korrespondent Martin Aldrovandi in der chinesischen Metropole. China spüre den Druck der Bevölkerung, verfolge aber auch wirtschaftliche Interessen.

Martin Aldrovandi

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Martin Aldrovandi ist seit 2016 Korrespondent für Radio SRF in Nordostasien mit Sitz in Schanghai. Zuvor hatte er mehrere Jahre lang als freier Journalist aus dem chinesischsprachigen Raum berichtet.

SRF News: Warum hat China gerade jetzt das Klimaabkommen ratifiziert?

Martin Aldrovandi: Das Umweltbewusstsein ist in China in den letzten Jahren stark gestiegen. Nachdem man in den Jahrzehnten zuvor alles auf das Wirtschaftswachstum gesetzt hatte, merken die Menschen langsam, welchen Preis sie dafür bezahlen. Viele leiden unter der schlechten Luft oder verschmutzten Gewässern und Böden.

Die chinesische Regierung will mit dem Klimaabkommen ein Zeichen gegen innen setzen. Sie will der Bevölkerung zeigen, dass sie etwas unternimmt. Es gibt aber auch ein langfristiges ökonomisches Interesse. Die alte Stahl- und Kohleindustrie verschmutzt die Umwelt und kostet China dazu noch viel Geld, weil sie nicht mehr rentiert. Nur schon aus diesem Grund hat man langfristig ein Interesse, auf neue Technologien und Industrien zu setzen.

Wie merkt man die Umweltverschmutzung im chinesischen Alltag?

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Gerade heute ist die Luft in Hangzhou natürlich sehr gut. Es gibt kaum Verkehr und die Fabriken rund um die Stadt wurden wegen des G20-Gipfels für ein paar Tage geschlossen. Aber das ist nicht der Alltag. Gerade Hangzhou gehört zu den Städten Chinas mit den schlimmsten Verkehrstaus. Die Luftwerte sind sehr oft überhaupt nicht gut. Die Feinstaubwerte überschreiten die WHO-Grenzwerte vor allem im Winter um ein Vielfaches. Kinder von meinen Bekannten durften letzten Winter tagelang nicht nach draussen, um zu spielen. Die Umweltverschmutzung in China ist also nicht einfach ein abstraktes Konzept. Die Menschen spüren sie fast täglich und machen sich Sorgen um ihre Gesundheit.

Gibt es denn in China Umweltschutzbewegungen, welche die Umweltverschmutzung bekämpfen?

Es gibt chinesische NGO, aber auch Greenpeace ist in China tätig. Diese Organisationen können die Regierung zum Teil kritisieren, sind aber letzten Endes auf die Behörden und deren Goodwill angewiesen.

Es gibt aber auch positive Beispiele: Kürzlich gingen in der Provinz Jiangsu nördlich von Shanghai tausende Menschen auf die Strasse und demonstrierten erfolgreich gegen eine Wiederaufbereitungsanlage von Atommüll. Die Polizei liess die Demonstranten gewähren. Das Problem ist jedoch, dass man nie im Voraus weiss, wie die Behörden reagieren werden. Viele Aktivisten und NGO’s bewegen sich in einem Graubereich und können nicht wie in der Schweiz eine Kundgebung ankündigen und ihre Anliegen anbringen.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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