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International Dekrete sagen viel zum Zustand von Obamas Präsidentschaft

Heute spricht US-Präsident Barack Obama zum Zustand der Nation. Es soll auch um ein Dekret zur Erhöhung des Mindestlohnes gehen. Für SRF Korrespondent Beat Soltermann ist dieses Dekret ein weiterer Hinweis dafür, dass Obamas Vertrauen in eine Kompromiss-Politik am Zerfallen ist.

15 Prozent der Amerikaner leben unter der Armutsgrenze. Fokussiert man auf Kinder und Jugendliche, sind es gar erschreckende 25 Prozent.

Sicherlich ein ausreichender Anlass für US-Präsident Barack Obama, um die bereits vor einem Jahr angekündigte Erhöhung der Mindestlöhne nun per Dekret in die Tat umzusetzen. Um wie viel Geld es dabei gehen wird, ist unter anderem Gegenstand der traditionellen Rede des Präsidenten an den Kongress, des sogenannten «State of the Union».

Bereits vor der eigentlichen Rede hätten Insider durchblicken lassen, wie viel der Mindestlohn ansteigen soll, erklärt SRF-Korrespondent Beat Soltermann aus Washington in der Sendung «Echo der Zeit». Von heute 7.25 Dollar auf 10.10 Dollar pro Stunde.

Dabei handle es sich zwar gemessen an früher um einen hohen Anstieg, sagt Soltermann. Gleichzeitig sei das aber zu relativieren. Die Erhöhung gilt nur für Bundesangestellte und Bundes-Beschäftigte, also beispielsweise für Bauarbeiter im Dienst des Bundes. «Es werden also nur ein paar in den Genuss von Lohnerhöhungen kommen, aber nicht Millionen von Menschen», stellt Soltermann klar.

Obama kämpft gegen die Armut

Für den Präsidenten ist die Erhöhung ein probates Mittel, um die immer weiter aufklaffende Schere zwischen Arm und Reich wieder zu verengen. Er ist überzeugt, mit diesem Mindestlohn etliche Arbeitnehmende vor dem Abrutschen unter die Armutsgrenze zu bewahren.

Anders sähen das seine Gegner, erklärt Soltermann. «Für praktisch jeden Republikaner ist klar, dass ein Mindestlohndekret nur dazu führt, dass Arbeitgeber weniger Menschen einstellen.» Obamas Schuss aus der Sozialflinte muss für sie zwingend nach hinten losgehen.

Glaube an Kompromisse verloren?

Der «State of the Union», also sinngemäss die Rede zum Zustand der Nation, ist immer auch ein wenig eine Aussage zum Zustand der Präsidentschaft. Für Soltermann ist es nicht verwunderlich, dass Obama den Mindestlohn ohne Gesetz, sondern per Dekret umsetzen wird.

Portrait von SRF-Korrespondent Beat Soltermann.
Legende: SRF-Korrespondent Beat Soltermann: Obama ist der schlechtere Menschenfischer als Clinton es war. SRF

Obama hat seinen Willen vor einem Jahr formuliert, rapportiert Soltermann. Es gab auch Bemühungen demokratischer Abgeordneter, die Sache auf den Weg zu bringen. Letztlich seien die Bemühungen aber allesamt versandet. Auf die Möglichkeit einseitigen Regierens per Dekret hat der Präsident in seiner Not mit dem republikanisch dominierten Kongress schon öfters zurückgegriffen.

Das dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, so Soltermann, dass Obama nur bei kleinen, relativ unwichtigen Dingen Entscheide per Dekret herbeiführen könne. «Wichtige Dinge bedürfen eines Gesetzes, und das geht eben nur mit der Mehrheit im Kongress».

Ist Clinton der bessere Obama?

Dass Obama mit dem Kongress kaum noch Kompromisse gelingen und er das Dekret vermehrt als letzte politische Machete nutzt, ist nach Ansicht Soltermanns nicht nur die Schuld der Republikaner. «Clinton ist der bessere Menschenfischer», sagt der US-Korrespondent.

Obama sei eher steif und sehe den Sinn nicht ein, auch einmal einem republikanischen Senator während eines Dinners «den Schmus zu bringen». Und hat er in fünf Jahren nichts dazu gelernt? Soltermann ist skeptisch: «Ehrlich gesagt nein. Schliesslich sind solche Dekrete ein Zeichen dafür, dass Obama an eine Verbesserung der Kooperation zwischen Kongress und Weissem Haus auch selbst kaum mehr glaubt.»

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