Die ukrainische Führung verliert im Machtkampf mit der Opposition zunehmend die Kontrolle über den Westen des Landes. Die Regionalversammlung von Lemberg (Lwiw) warf der Regierung in Kiew vor, in der Hauptstadt einen "offenen Krieg" gegen die Demonstranten zu führen. Daher nehme sie die Exekutive in ihrem Gebiet in eigene Hände. Die siebtgrösste Stadt der Ukraine erklärte sich als politisch autonom.
Lokale Medien berichteten von ähnlichen Vorgängen in mehreren anderen Städten im Westen der Ukraine, wo Regierungsgegner ebenfalls öffentliche Gebäude besetzt halten. So fesselten in Luzk Demonstranten den Gouverneur des Gebiets Wolhynien an ihre aufgestellte Protestbühne. In Ternopol versuchten Regierungsgegner am Dienstag, ein Polizeigebäude zu stürmen. Auch aus Iwano-Frankowsk und Rowno gab es Berichte über Angriffe. Die nationalistisch geprägte Gegend nahe der Grenze zu Polen gilt als Hochburg der radikalen Opposition.
Polizeikaserne Lemberg in Brand
Am Dienstagabend besetzten in Lemberg mehrere Tausend Menschen eine Polizeikaserne. Laut dem dort lebenden Journalisten Yuri Durkot wurde mit der Blockade verhindert, dass die Truppen des Innenministeriums ausrücken und nach Kiew verlegt werden konnten. Die Sicherheitskräfte hätten daraufhin versucht, die Blockade zu durchbrechen, dabei sei mindestens eine Frau verletzt worden.
In der Folge hätten die protestierenden Regierungsgegner Molotow-Cocktails gegen die Kaserne geworfen und diese in Brand gesteckt. Die Truppen hätten die Gebäude schliesslich unbewaffnet verlassen, so der Journalist Durkot. Derzeit sei nicht ganz klar, in wessen Hände die Munitionsdepots seien. Es gebe Berichte, wonach Soldaten und Demonstranten sie gemeinsam bewachten.
Bürgermeister appelliert an Polizisten
Der Bürgermeister von Lemberg, Andrej Sadowy, rief die Polizei dazu auf, zu den Regierungsgegnern überzulaufen: «Wendet eure Waffen zum Schutz der Menschen an – eurer Verwandten, Nachbarn, Freunde. Seid euch bewusst, die kleinste Aggression von eurer Seite wird eine um einige Male stärkere Antwort bekommen», warnte Sadowy auf seiner Facebook-Seite.
Bislang seien die Polizeikräfte der Aufforderung des Bürgermeisters in Lemberg allerdings nicht gefolgt, sagt der Journalist Durkot. Andererseits hätten sie aber auch keinen Widerstand geleistet, als das Polizeipräsidium der Stadt sowie mehrere Polizei-Kommissariate von Demonstranten besetzt wurden.
Grosse Studentendemo in Lemberg
In Lemberg hat sich die Situation am Mittwochmorgen etwas entspannt, allerdings hat am Vormittag eine neue Studenten-Demonstration begonnen. Durkot geht davon aus, dass es nicht Zusammenstössen mit Sicherheitskräften kommen wird. «Die Polizei wagt in Lemberg derzeit nicht, irgendwelche Aktionen durchzuführen.»