SRF News: Herr Knecht, haben Sie schon selbst einmal einen Fast-Unfall erlebt?
Daniel Knecht: In der Linienfliegerei nicht. Als Militärpilot erlebte ich einige Vorfälle, die gefährlich waren. Eigentliche Unfälle habe ich nie erlebt.
In der aktuellen Diskussion um den gestrigen Absturz spricht man vor allem von der Schnittstelle Mensch und Maschine als heikelste Schwachstelle, also vom Piloten und seinen hochkomplexen Instrumenten: Wer ist letztlich der Chef an Bord?
Das muss und das soll immer der Mensch sein. Er hat im heutigen Cockpit eine grosse Entlastung durch verschiedene Geräte, Computer, Hilfsmittel, aber am Schluss muss immer der Pilot der Chef an Bord sein. Er muss entscheiden und er muss auch eingreifen, wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen sollte.
Die Zahlen sprechen aber für die Maschine. 80 Prozent der Flugunfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen.
Man kann es auch umdrehen und sagen, der Mensch ist nach wie vor der wichtigste Faktor an Bord. Er ist derjenige, der den Unterschied macht, der im richtigen Moment die richtigen Handlungen durchführt. Er trägt ganz entscheidend zur Sicherheit bei und das darf man selbst im Angesicht eines solchen Unfalls nicht vergessen. Der grösste Teil der Flüge laufen gut ab.
Angenommen die Maschine versagt. Wie können Sie als Pilot erkennen, welchen Daten und Informationen, welchen Maschinen Sie noch vertrauen können?
Für wichtige Daten hat man mindestens eine doppelte oder eine dreifache Auslegung der Informationsquelle. Man vergleicht diese Daten und wenn zwei Daten gleich sind, geht man davon aus, dass sie die richtigen sind und lässt den dritten Wert entfallen.
Es kann aber vorkommen, dass zwei Sensoren zum Beispiel falsche Daten liefern. Das ist eine schwierige Situation. Denn der Computer, der diesen Vergleich ebenfalls macht, kommt zum Schluss, dass diese beiden falschen Daten die richtigen sind.
In diesem Moment muss der Mensch die Gesamtsituation überblicken, denn das tut der Computer nicht. Der Mensch kann die beiden falschen Systeme ausschalten.
Was muss ein Pilot heute in erster Linie können: Fliegen oder Computer bedienen?
Er muss beides können. Er muss in der Lage sein, diese Systeme zu begreifen und ihr Zusammenspiel zu verstehen. Er muss auch in der Lage sein, nicht nur einen einzelnen Fehler zu erkennen. Im Normalfall kann dieser sogar vom System selber schon erkannt werde.
Wenn ein komplexerer Fehler auftritt, dann muss der Mensch dasjenige Element an Bord sein, das die Gesamtsituation überblicken kann und einen wichtigen Entscheid in kurzer Zeit fällen kann.
Sie haben in einem Artikel erwähnt, dass das grösste Problem nicht in der Ausbildung neuer, sondern in der Umschulung älterer Piloten liegt. Dass der Umschulung zu wenig Gewicht beigemessen wird. Gilt das auch für die Schweiz?
Man kann es nicht verallgemeinern. Aber es ist so, dass neue Systeme auch neue Herausforderungen darstellen und dass man denen mit anderen Ausbildungsgrundsätzen begegnen muss. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass man immer auch das fliegerische Basiswissen, das zum Rüstzeug jedes Piloten gehört, nicht vernachlässigen darf.
Diese Erfahrung hat man in den vergangenen Jahren gemacht. Zum Teil waren Flugzeuge in einen Unfall verwickelt, nicht, weil ein komplexes Problem aufgetreten ist, sondern weil die Besatzung ein ganz grundlegendes Problem nicht mehr im Griff hatte.
Der Flugzeugtyp, die Fluggesellschaft des gestrigen Absturzes gelten als zuverlässig: Wo gibt es sonst noch Verbesserungspotenzial?
Generell ist das schwierig zu sagen. Die Auswahl und die Ausbildung der Besatzung ein ganz zentraler Punkt ist. Es sollten gute Leute in den Cockpits oder an den Konsolen der Flugverkehrsleiter arbeiten und sie sollten permanent im Training gehalten werden.
Das Gespräch führte Peter Vögeli.