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Ein schwedischer Polizist steht vor der Schule, darin untersuchen Spezialisten in weissen Overalls den Tatort.
Legende: Während die Menschen in Schweden unter Schock stehen, untersuchen Spezialisten den Tatort. Keystone

International «Der Täter hat seine Opfer gezielt ausgesucht»

Der junge Mann, der an einer Schule in Schweden einen Lehrer und einen Schüler erstach, hatte offenbar rassistische Motive. Das weckt Erinnerungen an das Blutbad, welches Anders Breivik im Sommer 2011 in Norwegen angerichtet hatte.

Bruno Kaufmann

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Bruno Kaufmann lebt in Schweden und berichtet als freier Korrespondent für Radio SRF über die nordischen und baltischen Staaten. Der Politikwissenschaftler forscht ausserdem zu Fragen der modernen Demokratie.

SRF News: Drei Menschen sind beim Anschlag auf eine Schule in Trollhättan gestorben. Ein Maskierter mit einem Schwert tötete einen Lehrer und einen Schüler, bevor ihn die Polizei erschoss. Was weiss man über den Täter?

Bruno Kaufmann: Der Täter ist ein 21-jähriger Mann aus Trollhättan, der diese Schule vor zwei Jahren abgeschlossen hatte und jetzt arbeitslos war. Er hatte sich auf eine Art verkleidet, die auch mit Halloween in Verbindung gebracht werden konnte. Zu Beginn posierte er noch mit Leuten an der Schule für Fotos. Nachher ist er aber mit seinem Schwert durch die Schule gegangen und hat sich seine Opfer ganz gezielt ausgesucht. Es sind Opfer, die einen ausländischen Hintergrund hatten. Es ist deshalb nach Meinung der Polizei ganz klar eine Tat mit rassistischem Motiv.

Schweden gilt als sehr friedliches Land. Einen solchen Anschlag mit rassistisch motivierten Vorzeichen gab es noch gar nie. Steht das Land nun unter Schock?

Natürlich hat es in anderen Ländern in der Vergangenheit schon solche Taten gegeben; in Finnland etwa oder in den USA. Aber in Schweden selber hat es so etwas noch nie gegeben. Deshalb sind sehr viele Schwedinnen und Schweden heute tatsächlich sehr geschockt, dass es so etwas nun auch an schwedischen Schulen gibt. Der Ablauf dieser Tat, aber auch diese Absurdität mit der Verkleidung und dem Schwert macht vielen schwer zu schaffen. Man sagt, es sei die erste solche Tat seit dem Zweiten Weltkrieg, bei der so explizit rassistisch vorgegangen worden sei. Der Täter, der dabei umgekommen ist, hat angeblich ein Schreiben hinterlassen. Es ist aber noch nicht bekannt, was in diesem Schreiben steht.

Der Anschlag weckt Erinnerungen an das Massaker von Anders Breivik auf einer norwegischen Insel vor vier Jahren. Werden in Schweden Parallelen dazu gezogen?

Ja, die Bilder, der Ablauf und der Hintergrund des Täters wecken wirklich Erinnerungen an diesen rechtsextremistischen Massenmörder aus Norwegen. Der Täter aus Trollhättan war der Polizei bisher überhaupt nicht bekannt. Er hatte aber auf seiner Facebookseite viele einschlägige politische Bekenntnisse formuliert. Das erinnert sehr stark an Anders Breivik, der ein Manifest hinterliess und seine Tat damals sehr genau vorbereitet hatte. Er hatte seine Opfer auch sehr gezielt ausgewählt.

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Der Anschlag wird auch in einem liberalen Staat wie Schweden nicht ohne Auswirkungen auf die politische Diskussion im Land sein. Stichwort: Integration und Flüchtlingspolitik. Wie ist da die Stimmung aktuell?

Diese Tat fällt in eine Zeit, in der in Schweden sehr intensiv über die Einwanderungsfrage diskutiert wird. Man rechnet alleine in diesem Jahr mit über 200'000 Flüchtlingen. Im nächsten Jahr mit genauso vielen. Das hat es so noch nie gegeben. Es gibt in der schwedischen Bevölkerung in vielen Kreisen auch grosse Widerstände und viel Hasspropaganda im Internet. Wenn nun ein solcher Täter seine Worte in die Tat umsetzt, sorgt das natürlich für Unruhe. Die schwedische Politik hat heute Morgen in einer parteiübergreifenden Erklärung zu Ruhe und Rücksicht aufgerufen. Man hat sich auch darauf geeinigt, jetzt zusammenzuarbeiten, und nicht so sehr gegeneinander, weil man sieht: Hier geht es jetzt darum, wirklich gemeinsam für die liberale, offene Haltung Schwedens einzustehen und sich nicht durch solche Taten abschrecken zu lassen.

Das Gespräch führte Mirjam Knecht.

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