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Bohrtürme stehen entlang einer Landstrasse.
Legende: Dutzende mobile Bohrtürme zu vermieten: In den USA wird kaum mehr in Fracking investiert. Keystone

International Der US-Ölboom ist vorerst vorbei

Erdöl ist so billig wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Das spüren auch die USA: Amerikanische Unternehmen streichen Milliarden-Investitionen, Angestellte verlieren ihren Job. Die Ambition, grösster Erdölförderer der Welt zu werden, muss Amerika damit begraben.

Die Freude in den USA war gross, als es noch vor einem Jahr hiess, sie würden Saudi-Arabien bald von der Spitze der Erdölförderländer verdrängen. Die Fracking-Technik hatte es möglich gemacht, Öl aus Schiefergestein herauszuholen, was die Produktion nach vielen Jahren der Flaute wieder ersprudeln liess.

Weniger Investitionen

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Nun ist Ernüchterung eingekehrt, denn die tiefen Preise machen die teure Schieferölförderung unrentabel. Bereits ist eine ganze Reihe von kleinen Fracking-Firmen konkurs gegangen. Ausserdem baut der US-Ölkonzern Chevron 8000 Stellen ab. Ist der US-Erdölboom vorbei? «Die tiefen Preise werden den Boom nicht ganz beenden, doch die Produktion sinkt und viele Firmen investieren nicht mehr», stellt Michael Webber fest. Er ist Professor für Energiewissenschaften an der University of Texas.

In der Tat hat sich die Zahl der Bohrtürme im letzten Jahr halbiert, was die Fördermenge bald vermindern dürfte. Laut verschiedenen Experten rentiert die Schiefergasförderung erst ab einem Erdölpreis von 70 Dollar pro Fass. Jetzt liegt er unter dreissig Dollar. Trotzdem gibt es laut Webber in den USA immer noch Förderstellen, mit denen sich Gewinn erzielen lässt.

Exportverbot aufgehoben

Die US-Erdölbranche war bisher erstaunlich widerstandsfähig: Die Fördermengen sind seit dem Preissturz gemäss Zahlen der US-Energiebehörde nur leicht gesunken. Stark leidet hingegen die Tiefseeförderung vor der Küste Alaskas – sie ist um zwei Drittel eingebrochen. Shell hat erst kürzlich entschieden, auf Bohrungen in einem neuen Gebiet im Polarmeer vor der Küste Alaskas zu verzichten.

Etwas Linderung erhoffen sich die Ölfirmen dadurch, dass sie nun Erdöl exportieren dürfen. Der Kongress hat im Dezember ein Verbot aufgehoben, das seit der Erdölkrise der 1970er-Jahre bestanden hatte. Bereits haben die ersten Tanker die Häfen in Texas verlassen. Die holländisch-schweizerische Firma Vitol hat das US-Öl gekauft und führt es zur Raffinerie bei Cressier im Kanton Neuenburg.

Das Öl bleibt billig

Doch weil die USA doppelt so viel Erdöl verbrennen wie sie fördern, werden sie nie ein grosses Exportland werden. Ausserdem fehlt die dazu nötige Infrastruktur. Diese wird nicht gebaut, so lange die Preise tief bleiben. Professor Webber glaubt deshalb nicht, dass der Export viel ändern wird: «Er wird die Märkte effizienter machen, aber keinen grossen Einfluss auf die Preise haben.»

Die Preise dürften auf absehbare Zeit tief bleiben. Die Internationale Energie-Agentur hat diese Woche prognostiziert, dass mit dem iranischen Erdöl, das bald auf den Markt kommt, die Überversorgung noch zunehmen wird. Das sind schlechte Aussichten für die US-Erdölindustrie. Ihre Weltspitzenambitionen kann sie vorerst begraben. Die Vereinigten Staaten bleiben nach Saudi-Arabien und Russland das drittgrösste Ölförderland, doch die Boomzeit ist vorerst vorbei.

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