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Ein berittener Polizist vor einer Menge Demonstranten in Tel Avivs Innenstadt
Legende: Die Proteste arteten am Wochenende in Gewalt aus. Für Gisela Dachs Zeichen lange angestauter Unzufriedenheit. Reuters

International Die äthiopischen Juden revoltieren

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen vom Sonntag zwischen äthiopisch-stämmigen Israeli und Polizeikräften werfen ein Schlaglicht auf eine Bevölkerungsminderheit. Sie fühlt sich trotz ihres jüdischen Glaubens fremd im Gelobten Land.

Die Szenen erinnern an Bilder, wie man sie zuletzt aus Baltimore sah: Dunkelhäutige Jugendliche demonstrieren gegen Rassismus und Polizeigewalt. Der Grund für die gewaltsamen Ausschreitungen: Das Video einer Überwachungskamera, das die Misshandlung eines ebenfalls dunkelhäutigen Mannes durch Beamte zeigt. Die Bilanz: Dutzende Verletzte, 40 Verhaftungen.

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Doch es gibt gewichtige Unterschiede zu den Unruhen in den USA. Beim Misshandelten handelt es nicht um einen vermeintlichen Kriminellen, sondern um einen Soldaten in Diensten der israelischen Armee. Und die gewaltsamen Proteste vollziehen sich nicht im sozialen Brennpunkt einer US-Metropole, sie finden im Zentrum von Tel Aviv statt.

Die äthiopischen Juden

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Bei den «Beta Israel», auch «Falasha» genannt, handelt es sich um äthiopische Juden, die nach 1974 vor der Verfolgung in ihrer Heimat flüchteten. Zu Tausenden wurden sie durch die sozialistische Militärdiktatur enteignet und zwangsrekutiert, viele wurden getötet. Wie den arabisch-stämmigen und europäischen Juden bot Israel den Verfolgten Zuflucht.

Fremd in der neuen Heimat

Für Gisela Dachs, Journalistin in Tel Aviv, sind die Proteste kein einsamer Gewaltausbruch, sondern Symptom eines gesellschaftlichen Problems. So sieht Dachs die Ausschreitungen Ausdruck eines tief sitzenden Unwohlseins unter der äthiopischen Minderheit in Israel: «Seit ihrer Ankunft sehen sie sich als zweitklassige Juden, weil sie schwarz sind.» Eine vollständige Integration der heute rund 135‘000 Juden mit äthiopischen Wurzeln habe nie wirklich stattgefunden, so Dachs.

Viele von ihnen hätten, einmal im «Heiligen Land» angekommen, einen «doppelten Schock» erlebt: Sie fanden sich als Afrikaner in einem westlichen Land wieder, einhergehend mit einem eklatanten Bildungsgraben. Und sie stellten fest, dass die Mehrheit der Israeli weiss war: «Wie in vielen westlichen Ländern spielt die Hautfarbe eine Rolle, ob man jetzt jüdisch ist oder nicht», so Dachs.

Als Symbol ihrer Diskriminierung bleibt den «Beta Israel» ein Skandal aus den 1990er-Jahren in Erinnerung. Damals wurden Blutspenden über Jahre hinweg «weggeschüttet», erinnert Dachs – aus Angst, die Immigranten könnten Aids ins Land eingeschleppt haben. Dass dies ohne Wissen der Äthiopier geschah, habe stark zum Gefühl beigetragen, wegen der Hautfarbe anders behandelt zu werden.

Netanjahu verspricht ein Hilfsprogramm zur besseren Integration

Viele Angehörige der äthiopischen Minderheit beklagen sich heute über grassierenden Rassismus, mangelnde Aufstiegschancen, Armut und routinemässige Schikane durch Polizeikräfte. Zwar seien die äthiopischen Juden Teil des Alltags in Israel, sei es im Stadtbild oder der Armee, führt Dachs aus. Auch spreche allem die junge Generation perfekt hebräisch. Doch nach wie vor lebe die kleine Minderheit mehrheitlich unter sich.

Um die Gräben zu schliessen, traf sich der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu am Montag mit dem misshandelten Soldaten sowie Vertretern der äthiopischen Minderheit. Dabei stellte er ein Hilfsprogramm für äthiopischstämmige Juden in Aussicht. Er habe eine Ministerkommission damit beauftragt, sich der Integrationsprobleme anzunehmen. Insbesondere im Bildungsbereich, im Wohnungswesen und auf dem Arbeitsmarkt.

Derweil wollen äthiopischstämmige Juden ihre Proteste gegen Polizeigewalt und Diskriminierung fortsetzen. Vor einer neuen Demonstration im Regierungsviertel in Jerusalem wurden am Montag zentrale Strassen gesperrt. Die Polizei hat ihre Präsenz nun auch in Jerusalem verstärkt.

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