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International Die EU und die Türkei – zwei Systeme nähern sich an

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel weilt für zwei Tage in der Türkei. Die Beziehung der Union zur Türkei ist wichtig – und konfliktreich. Günter Seufert von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin erklärt warum.

Seit 1987 liegt der Antrag der Türkei für eine Mitgliedschaft in der EU in Brüssel. Seit 2010 blockiert die EU Gespräche über einen Beitritt. Die EU befindet sich in der Krise. Entsprechend wächst in der Türkei die Skepsis. Stellt sich die Frage: Wollen die Türken überhaupt noch in die EU?

Nur noch 48 Prozent der Türken wollen nach den neuesten Umfragen von Anfang dieses Jahres in die EU. Die Befragten begründen ihre pessimistische Haltung damit, dass die Europäer Vorbehalte gegenüber dem Islam haben. Grundsätzlich kann man sagen, die Türkei ist nach Westen gewandt. Aber das Interesse an einer Mitgliedschaft ist geschwunden.

Weshalb?

Die politischen und ökonomischen Erwartungen der EU an Beitrittskandidaten werden immer höher. Entsprechend verlängert sich der Prozess zur Aufnahme neuer Mitglieder. Das zermürbt die Kandidaten. Gleichzeitig nimmt der Aussenhandel der Türkei mit der EU ab. Grund hierfür ist die Krise in der Euro-Zone. Zur selben Zeit erstarkt der türkische Handel mit Asien, Russland und mit den Kurden im Norden Iraks.

Video
Türkeibesuch von Angela Merkel
Aus Tagesschau vom 25.02.2013.
abspielen. Laufzeit 20 Sekunden.

Die Türkei will sich der EU gar nicht mehr annähern?

Doch, denn Europa ist für die Türkei immer noch einer der wichtigsten Handelspartner. Ausserdem ist die türkische Regierung daran interessiert, die Reformen im eigenen Land voranzutreiben. Fortschrittliche Bestimmungen wie ein modernes Arbeitsrecht oder ein Umweltschutz-Gesetz kann die Regierung besser durchsetzen, wenn Druck von der EU kommt. Mit der Demokratisierung gewinnt die Türkei zudem international an Ansehen. 

Aber der Einfluss der EU auf die Türkei schwindet …

Je kleiner die Chance auf eine Mitgliedschaft in der EU ist, desto kleiner werden der Wille zur Zusammenarbeit und der Reform-Eifer, ja. Die Türkei muss sich noch in einige Bereichen bewegen: Die Pressefreiheit ging in den letzten beiden Jahren merklich zurück. Oder bei öffentlichen Ausschreibungen ist noch immer viel Korruption im Spiel. Die Türken werden auch nicht über die wirklichen Ausgaben für das Militär informiert. Und nach wie vor werden die Kurden im eigenen Land unterdrückt. 

Was will Europa von der Türkei?

Die Türkei wird international immer wichtiger. Das Land prosperiert, ist stabil und die Menschen blicken optimistisch in die Zukunft. Die Türkei sieht sich als das Zentrum des Nahen Ostens. Europa ist an Stabilität in der Region interessiert. Etwa die Migration ist für die EU ein wichtiges Thema. Viele Flüchtlinge wandern über die Türkei nach Griechenland ein. Auch will die Union mit Hilfe der Türkei den Terrorismus im Nahen Osten bekämpfen. Die Türkei ist ein Vorbild für andere Länder im Nahen Osten. Der wirtschaftliche Erfolg, die parlamentarische Ordnung, gepaart mit dem muslimischen Charakter macht die Türkei zur Inspirationsquelle für andere muslimische Länder. Auch in der Energiepolitik möchte die Union mit der Türkei stärker zusammenarbeiten. 

Will sich Europa demnach der Türkei wieder annähern, den Beitrittsprozess auffrischen?

Deutschland wie auch Frankreich bemühen sich jetzt stärker um die Türkei als bisher. Offiziell bekennt sich Deutschland zur türkischen EU-Mitgliedschaft, auch wenn Merkels Partei, die CDU, nicht für eine Vollmitgliedschaft der Türkei ist.

Was muss die EU machen, um den Einfluss auf die Türkei zu vergrössern?

Der Beitrittsverhandlungen müssen wiederbelebt werden. Anstatt dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich und die Republik Zypern Verhandlungskapitel blockieren, muss mit der Türkei über Reformen geredet werden.

Muss die EU auch Zugeständnisse machen?

Die Aufhebung der Visa-Pflicht wäre ein starkes Zeichen für die Türkei. Und bei der Bekämpfung der Kriminalität und der Korruption könnte man stärker zusammenarbeiten.

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