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International «Die Fifa wähnte sich über dem Recht»

Nun also doch: Die Schweizer Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Fifa-Boss Sepp Blatter. Was das für den Verband bedeutet und wie die Verteidigung Blatters aussehen könnte, erklärt Mark Pieth. Der Strafrechtsprofessor kennt sich bestens in der Fifa aus.

SRF News: Vor Jahren schon hat der ehemalige Fifa-Vizepräsident Jack Warner einen Fussball-Tsunami angekündigt. Ist er das jetzt?

Mark Pieth: Es ist definitiv so, dass der Verband ganz gewaltig ins Schlingern geraten ist. Wir hatten ja alle das Gefühl, dass Journalisten, die den Verband mit der Mafia vergleichen, übertreiben würden. Wenn es so weitergeht, ist der Vergleich gar nicht so weit her geholt.

Wie würden sie die jetzige Entwicklung einordnen? Ist das der Super-Gau für die Fifa?

Mark Pieth

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Mark Pieth gestikulierend vor einem Fifa-Logo
Legende: Keystone

Mark Pieth ist Strafrechtsprofessor an der Universität Basel und war von 2011 bis 2013 bei der Fifa tätig, als Vorsitzender der unabhängigen Governance-Kommission.

Zunächst muss man sagen, dass wir nicht mit Bestimmtheit wissen, ob hier Gesetze verletzt worden sind. Aber es ist natürlich eine ganz neue Dimension, dass sich eine staatliche Justiz um den Fall kümmert und dass sie schon am Anfang der Ermittlungen an die Öffentlchkeit geht. Das würde die Bundesanwaltschaft nicht tun, wenn sie nicht Gewissheit hätte, dass da was dran ist.

Was könnte das sein?

Es sind verschiedene Vorwürfe im Moment im Raum. Der eine scheint zu sein, dass Herr Blatter zu günstig Rechte vergeben hat. Also nicht dafür gesorgt hat, dass die Vermögensinteressen des Verbandes gewahrt werden. Da stellen sich wahrscheinlich eine ganze Reihe von Fragen, weil der Verband ein nicht profitorientierter Verband ist.

Dann ist also der Vorwurf der Bundesanwaltschaft gar nicht so heftig, da für die Fifa nicht dieselben Gesetze gelten wie für ein Privatunternehmen?

Es ist völlig klar, dass Herr Blatter oder wer auch immer hier aktiv war, das Recht hat, sich zu verteidigen. Ich gehe davon aus, dass seine Verteidigungslinie sein wird zu sagen, es gehe hier nicht um Gewinnmaximierung um jeden Preis – sondern wenn die Fifa etwas günstig einem Verband in der Dritten Welt zur Verfügung stellt, dann habe das einen gewissen Entwicklungshilfe-Effekt.

Die Verhaftung der Fifa-Funktionäre im Mai erfolgte auf Initiative der USA. Die Schweiz hat mitgemacht. Diesmal scheinen die Schweizer Justizbehörden die Hauptrolle zu spielen. Täuscht der Eindruck?

Das denke ich, und es mag daran liegen, dass die Schweizer Justizbehörden sehr viele Dokumente beschlagnahmt haben und sehr viel genauer in den Betrieb hineinschauen. Es mag auch damit zusammenhängen, dass sie im Gespann mit den US-Behörden vorgehen und dass ihnen die forsche Art der USA durchaus etwas Mut macht.

Wenn jetzt gegen den Fifa-Präsidenten ermittelt wird – was ändert sich beim Weltfussballverband?

Unabhängig vom Strafrecht ist das ein grosses Problem. In der Privatwirtschaft zieht man in einer solchen Situation sofort Konsequenzen. Wir haben es gerade bei Volkswagen gesehen, wo der Chef gegangen ist, obwohl der Nachweis bislang noch nicht wirklich erbracht ist. Im Fussball hat man da offenbar Schwierigkeiten, direkt zu reagieren.

Woran liegt das?

Es liegt daran, dass die Fifa eine Organisation ist, die sich selbst über dem Recht gewähnt hat. Das dürfte der Grund sein. Es ist ganz neu für den Verband, dass sich die staatliche Justiz um ihn kümmert.

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Was würde sich denn ändern, wenn Blatter heute oder morgen zurücktritt?

Die Schwierigkeit, die sich dann unmittelbar ergibt, ist die, dass man an seiner Stelle einen Vize nehmen müsste, der einen Übergang macht, aber ethisch nicht über jeden Zweifel erhaben ist.

Wie beispielsweise Issa Hayatou (Präsident des afrikanischen Fussballverbandes, Anm. d. Red.)?

Wenn man es milde ausdrückt, ist auch er ein Mitglied des ‹Systems Blatter›. Er ist verschiedentlich schon im Ruf gestanden, selbst Gelder genommen zu haben. Insofern wäre das nicht unbedingt vorzuziehen. Sehr viel wichtiger ist, dass man schnell einen Übergangspräsidenten wählt, der selber nicht in diesem System gross geworden ist oder nicht von diesem System proifitiert hat. Ideal wäre, einen Präsidenten zu haben, der nach zwei Jahren wieder geht, jetzt aber für Beruhigung und Reform sorgt und dann Platz macht für jemanden, der dann länger präsidiert.

Das Gespräch führte Samuel Wyss.

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