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Flüchtlinge erreichen auf einem Schiff der Küstenwache den Hafen von Palermo.
Legende: Flüchtlinge erreichen auf einem Schiff der Küstenwache den Hafen von Palermo. Keystone

International «Die Flüchtlinge sind ein europäisches Problem»

Bis zu 400 Flüchtlinge könnten am Mittwoch im Mittelmeer ertrunken sein – das berichten Hilfswerke, die mit Überlebenden sprechen konnten. Mit jeder tragischen Meldung steigt der Druck auf die EU, mehr gegen die Dramen bei der Überfahrt zu unternehmen. Doch Brüssel macht derzeit keine gute Figur.

Der Appell an die Adresse der EU ist unmissverständlich. «Europa kann nicht die Augen verschliessen vor dem, was im Mittelmeer abläuft», sagt etwa Beat Schuler vom UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. «Es ist nicht nur ein italienisches oder griechisches Problem. Es ist ein europäisches Problem.»

Doch geben die anderen europäischen Länder und die EU keine gute Figur ab. Zwar haben seit gestern verschiedene Spitzenpolitiker und EU-Funktionäre ihre Betroffenheit zum Ausdruck gebracht, konkrete Antworten aber lieferten sie keine.

Verweis auf die neue Einwanderungspolitik

Auch die Frage, ob Europa nun die Rettungsbemühungen auf dem Mittelmeer stärker unterstützen werde, bleibt unbeantwortet. Stattdessen wurde auf die neue Einwanderungspolitik verwiesen, die die EU-Kommission Ende Mai präsentieren will.

Deren Eckpfeiler sind in Umrissen bereits bekannt: Es geht darum, die Länder Nordafrikas zu stabilisieren und stärker gegen illegale Einwanderung vorzugehen. Nur: Sollte das jemals etwas bringen, würde es lange dauern, bis Resultate sichtbar werden. Und bis dann werden weiterhin tausende Flüchtlinge den Weg über das Mittelmeer wagen. «2014 zählten wir etwa 170‘000 Flüchtlinge, die in Italien ankamen», sagt Beat Schuler vom UNHCR. Er geht davon aus, dass diese Zahl 2015 noch einmal steigen könnte – dann nämlich, wenn sich der Flüchtlingsstrom ähnlich weiter entwickelt wie im Moment.

Tausende machen sich auf den Weg

Wegen des guten Wetters sind in den letzten Tagen besonders viele Boote von Libyen aus ins Meer gestochen. Allein seit Freitag sollen 7800 Flüchtlinge von italienischen Rettungsboten gerettet worden sein.

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Eine Katastrophe wie die am Mittwoch ist dabei immer möglich. Schuler sagt, das UNHCR habe Kontakt gehabt mit Geretteten des Unglücks. Die Flüchtlinge hätten berichtet, dass sich bei der Abfahrt 550 Menschen auf dem Schiff befanden. Aufgrund dieser Schilderungen müsse man davon ausgehen, dass derzeit noch 400 vermisst werden.

Handelsschiffe springen ein

Bis Ende 2014 hatte Italien mit der Aktion «Mare Nostrum» die Rettung von Flüchtlingen praktisch alleine gestemmt. Italien stellte diese Operation ein. Kritisiert wurde, dass die Flüchtlinge wussten, gerettet zu werden – und deshalb erst recht den Weg über das Mittelmeer wagten.

Die EU startete dafür die kleinere Operation «Triton». Doch nun zeigt sich, dass die Flüchtlinge dennoch kommen und gerettet werden müssen. Zur Zeit seien mindestens so viele Schiffe im Einsatz wie bei «Mare Nostrum», die italienische Küstenwachse sei Tag und Nacht im Einsatz, sagt Beat Schuler. «Zudem werden vermehrt Handelsschiffe und Tanker zu Rettungsaktionen beigezogen.» Erst ganz am Schluss stünden die wenigen Schiffe von «Triton» bereit zur Rettung.

Weil die EU und die anderen europäischen Länder nicht genügend Hilfe zur Verfügung stellen, um die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zu retten, müssen nun also private Handelsschiffe einspringen. Der internationale Seerettungskodex zwingt sie dazu.

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