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Renzi hinter einem Wagen mit einem Blaulicht auf dem Dach.
Legende: Italiens Premier Renzi spricht zwar von einem kleinen Fortschritt. Es gebe aber noch viel zu tun. Keystone

International «Die nächste grosse Katastrophe droht»

Die Balkanroute wurde in Brüssel zwar nicht für geschlossen erklärt, faktisch sind die Grenzen aber dicht. Denkbar also, dass Italien bald wieder zur wichtigen Flüchtlingsroute wird. Dort werden die Resultate des Gipfels denn auch eher skeptisch aufgenommen, sagt Italien-Mitarbeiter Rolf Pellegrini.

Rolf Pellegrini

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Rolf Pellegrini war während Jahrzehnten für SRF, früher Schweizer Radio DRS, tätig. Unter anderem leitete er die «Echo»-Redaktion, war Frankreich- und zuletzt während mehr als einem Jahrzehnt Italienkorrespondent. Aktuell unterstützt er die SRF-Berichterstattung aus Italien.

SRF News: Was konkret hatte Italien vom Sondergipfel der EU mit der Türkei in Brüssel erwartet?

Rolf Pellegrini: Italien hofft, dass generell weniger Migranten in die Länder der EU strömen. Dafür hatte sich Premierminister Matteo Renzi – zusammen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel – im Vorfeld des Gipfels auch eingesetzt. Dass die Lebensbedingungen für die Flüchtlinge in Aufnahmezentren in der Nähe ihres Heimatlandes verbessert werden, so dass es von der Balkanroute keine Bilder mehr gibt, die Europa erschüttern und die europäische Ohnmacht dokumentieren.

Renzi ist überzeugt, dass es dafür die Türkei braucht, dass es dafür ein Abkommen geben muss, auch wenn grosse Konzessionen an die Türkei gemacht werden müssen. Es braucht ein Abkommen, das wirklich etwas verändert, den Flüchtlingsstrom in die EU etwas eindämmt, und das dann hoffentlich Bestand hat.

Wie ist das grosse Interesse Italiens an einem Abkommen mit der Türkei zu erklären?

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Sollte die Balkanroute – auf der zurzeit Tausende blockiert sind – gänzlich abgeriegelt werden, dann hätte Italien ein Problem: wahrscheinlich wäre dann, dass die Flüchtlinge sich einen Weg über Albanien bahnen würden. Albanien könnte dann zum Hauptkorridor für die Flüchtlinge werden. Die Schlepperbanden sind flexibel, und könnten in Kürze von Albanien aus die Überfahrt für Flüchtlinge nach Italien organisieren – im Zusammenspiel wohlverstanden mit den italienischen Mafien auf der anderen Seite. Ein Szenario, das wir schon aus der Vergangenheit kennen; aus der Balkankrisenzeit.

Der albanische Innenminister Saimir Tahiri hat vorgestern in einem Interview mit der Zeitung «Corriere della Sera» denn auch an Italien appelliert: Über die grüne Grenze von Albanien mit Griechenland und Mazedonien könnten nicht nur Flüchtlinge sondern auch potentielle Terroristen kommen, warnte er, und dann könnten diese nach Italien übersetzen. Italien müsse Albanien unbedingt helfen, um die Leute zu kontrollieren, die da einträfen.

Was sagt denn Italien dazu, dass die Türkei jetzt gar drei Milliarden Euro mehr verlangt, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen?

Italien ist nicht ganz überrascht. Man hatte damit gerechnet, dass die Türkei die Rechnung in die Höhe treiben würde. Und insgeheim sagt sich wohl die italienische Regierung, die nicht dumm ist, dass die Milliarden an die Türkei vielleicht auch als Hebel gebraucht werden könnten. Dies, um für ihr eigenes Land zusätzliche Finanzmittel von der EU zu verlangen – für die Hilfsleistungen auf hoher See und bei der Erstaufnahme von Flüchtlingen, für die die Fonds der EU nach Ansicht Roms bisher nicht die ganzen Kosten decken.

Vor dem Ansturm auf die Balkanroute kamen die Flüchtlinge vor allem von Nordafrika her nach Süditalien. Hat sich die Lage dort beruhigt?

Nein, dort kommen immer noch regelmässig Flüchtlinge an, aber etwas weniger als früher. Am Werk sind immer noch erprobte Schlepperbanden, die wissen, dass sie einige Kilometer vor der Küste die italienische Marine direkt anrufen können, damit diese die Flüchtlinge von ihren kümmerlichen Booten rettet. In Libyen ist die Lage noch explosiver, als sie es schon bisher war.

Die Zersplitterung jeglicher staatlichen Macht, die Absenz von verlässlichen Gesprächspartnern, das Gemisch von kriminellen Banden und Klans, die Terraingewinne der Terroristen von IS, Al Kaida und deren Ablegern, lassen Italien Schlimmstes befürchten: Einen verstärkten Exodus vor allem auch von Afrikanern – aus dem arabischen Norden wie aus Schwarzafrika.

Allein in Libyen seien über 100‘000 Menschen in Wartestellung, um nach Italien überzusetzen, heisst es. Italiens Geheimdienst ist vor Ort, zusammen mit Amerikanern, Briten und Franzosen. Aber sie können nur punktuell in Kurzeinsätzen eingreifen. Befrieden können sie das Land nicht. Die EU sollte sich auch darum kümmern statt nur um die Balkanroute und nicht die ganze Last Italien überlassen. Denn da – von Libyen ausgehend – droht die nächste grosse Katastrophe. Klar ist: Den Schleppern und ihren Mafia-Helfern muss das Handwerk gelegt werden.

Das Gepsräch führte Susanne Schmugge.

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