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International «Die neue Verteidigungsministerin Japans ist eine Provokation»

Sie besucht regelmässig den umstrittenen Kriegsschrein Yasukuni: Japans neue Verteidigungsministerin Tomomi Inada. In der Aussen- und Sicherheitspolitik vertritt sie ähnliche Ansichten wie Premier Shinzo Abe. Der will sie als seine Nachfolgerin in Position bringen, wie Journalist Martin Fritz sagt.

Diese Verteidigungsministerinnen machten Schlagzeilen

Martin Fritz

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Martin Fritz

Der Journalist Martin Fritz arbeitete als Radio-Korrespondent für die ARD in Tokio. Als freier Journalist berichtet er auch über Nord- und Südkorea. Vorher war er fünf Jahre lang Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Er hat Politik in Münster, Los Angeles und London studiert.

SRF News: Mit Tomomi Inada ernennt Premier Shinzo Abe eine Ultranationalistin zur Verteidigungsministerin. Wie gefährlich ist das?

Martin Fritz: Diese Besetzung wird die Beziehungen zwischen Japan und seinen Nachbarn, allen voran China, sehr belasten. Inada besucht regelmässig den Yasukuni-Schrein, der in Südkorea und China als Symbol für Japans Imperialismus gilt. Sie ist der Meinung, dass die verurteilten japanischen Kriegsverbrecher keine Verbrecher waren und sie behauptet, dass die Frauen, die zur Prostitution in japanischen Soldatenbordellen gezwungen wurden, freiwillig gearbeitet haben. Auch bestreitet sie die hohe Zahl von Chinesen, die von japanischen Soldaten bei Massakern in Nanking getötet wurden. Ihre Ernennung ist eine klare Provokation für Südkorea und China.

Ist Inada mit Blick auf ihre Aussagen eine Ausnahme in der Regierung von Abe?

Im Prinzip denken sehr viele Minister in diese Richtung. Die grosse Frage ist, weshalb sie Abe zur Verteidigungsministerin gemacht hat. Sie selber gab sich überrascht darüber. Es wird spekuliert, dass Abe weniger an China und Südkorea gedacht hat, sondern nur daran, dass sie sehr ähnliche Positionen wie er selber vertritt. Er hat bereits vor sechs Jahren gesagt, dass sie als erste Frau in Japan Premierministerin werden könnte. Bis jetzt hatte sie lediglich eine wichtige Rolle in der Partei. Jetzt wird sie auf die nationale Bühne gehoben. Womöglich, um sie für die Nachfolge in Position zu bringen.

Laut Inada sind die verurteilten japanischen Kriegsverbrecher keine Verbrecher.

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Erstmals seit 1998 hat eine nordkoreanische Rakete die Ausschliessliche Wirtschaftszone (AWZ) Japans verletzt – ein Seegebiet, in dem Japan gemäss internationalem Recht Hoheitsbefugnisse ausübt. Ministerpräsident Abe sprach von einem «empörenden Akt». Nach Beschlüssen des UNO-Sicherheitsrates darf Nordkorea keine ballistischen Raketen testen.

Heute hat eine nordkoreanische Rakete japanisches Gewässer erreicht. Abe bezeichnete den Raketentest als ernsthafte Bedrohung. Wie reagieren die Medien?

Extrablätter gab es keine, doch gehört das Ereignis klar zu den Topmeldungen. Eine Langstreckenrakete ist schon ein paar Mal über Japan hinweggeflogen, es ist aber das erste Mal, dass eine Mittelstreckenrakete die japanische Küste erreicht – und das einen Tag nachdem das Verteidigungsweissbuch der Regierung Abe die Aufrüstung von Nordkorea als Bedrohung eingestuft hat. Das passt also ins Bild.

Ist es auch ein Thema auf Japans Strassen?

Die Japaner fühlten sich auf ihren Inseln eigentlich immer sicher. Denken Sie an die Edo-Zeit: Jahrhunderte lang durfte niemand Japan besuchen. Jetzt zu erleben, dass Japan durch Raketen aus Nordkorea erreichbar wird, schlägt vielen Japanern auf den Magen. Das wird es Premierminister Abe erleichtern, die Rolle der japanischen Streitkräfte neu zu definieren und sich vom Pazifismus abzuwenden. Bereits 2015 Jahr hatte er durchgesetzt, dass die Armee auf Seiten der USA kämpfen kann. Nordkorea liefert ihm nun einen nachträglichen Grund.

Tokio sorgt sich über die Aufrüstung Chinas und sucht einen engeren Schulterschluss mit dem einzigen Sicherheitspartner, den USA.

Eigentlich rüstet Japan ja schon seit vier Jahren – seit Abe an der Macht ist – massiv auf. Die angebliche Bedrohung durch Nordkorea kann kaum der einzige Grund sein.

Nein, der Hauptgrund ist die Aufrüstung Chinas und der Inselstreit mit China im ostchinesischen Meer. Klar gehört Nordkoreas Atom- und Raketenrüstung auch dazu, aber Chinas sichtbares Vormachtstreben in Ostasien ist der eigentliche Anlass. Japan hat seine Verteidigungsausgaben ein Jahrzehnt lang praktisch nicht verändert. Während dieser Zeit hat China seine Militärausgaben um jährlich zehn Prozent gesteigert. Deswegen macht man sich in Tokio Sorgen und sucht einen engeren Schulterschluss mit dem einzigen Sicherheitspartner, den USA.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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