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Drei mutmassliche Terroristen vor ihrer Hinrichtung in Somalia, August 2014
Legende: Das staatliche Gewaltmonopol wird, wie hier in Somalia, unterschiedlich interpretiert. Reuters

International «Die Staaten begeben sich auf die Ebene der Terroristen»

Trotz insgesamt rückläufiger Zahlen ist Amnesty International alarmiert: Immer mehr Staaten setzen die Todesstrafe im Kampf gegen den Terror ein. Was abschrecken soll, lässt die Gewaltspirale weiter drehen – sagt Patrick Walder von Amnesty Schweiz.

SRF News: Immer mehr Staaten setzen Todesstrafen im Kampf gegen den Terrorismus ein. Wie zeigt sich das?

Zur Person

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Legende: Amnesty Schweiz/ZVG

Patrick Walder ist Kampagnenkoordinator bei Amnesty Schweiz und ehemaliger IKRK-Delegierter.

Patrick Walder: Staaten nehmen damit Rückgriff auf eine Massnahme, die gewalttätig ist, ebenso wie die Aktion der Terroristen, die sie bekämpfen. Die Staaten begeben sich damit auf die gleiche Ebene. Das ist kein Weg, der zu mehr Sicherheit in einer Gesellschaft führt, sondern zu mehr Gewalt.

Können Sie sich erklären, weshalb Staaten zu diesen Mitteln greifen?

Es gibt natürlich immer wieder schreckliche terroristische Anschläge oder Verbrechen, die die Bevölkerung empören und zurecht entsetzen. Die Staaten haben dann das Gefühl, sie müssten Stärke demonstrieren. Sie greifen auf die Todesstrafe zurück, um zu zeigen, dass sie Ordnung und Sicherheit wieder herstellen. Das ist aber eine populistische Massnahme, eine symbolische Politik. Es ist keine Massnahme, die tatsächlich Sicherheit herstellt.

Was kann die internationale Staatengemeinschaft tun, damit die betreffenden Staaten nicht zu diesen Mitteln greifen?

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Es braucht ein Umdenken und Verständnis dafür, dass die Todesstrafe nicht abschreckender wirkt als andere Strafen gegenüber Verbrechern und Terroristen. Was es braucht, ist eine professionelle und effektive Polizeiarbeit; ein wirksames, funktionierendes Justizsystem, das Leute verurteilt und ins Gefängnis bringt. Das sind Massnahmen, die tatsächlich Sicherheit herstellen können.

Die Todesstrafe ist eine populistische Massnahme. Tatsächlich stellt sie keine Sicherheit her.

Das geschieht aber nicht von heute auf morgen.

Staatenwelt gespalten

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Anfang Februar verbrannten IS-Terroristen eine jordanische Geisel bei lebendigem Leib. Kurz nach der Todesnachricht richtete Jordanien zwei Dschihadisten hin. Die Reaktionen der internationalen Staatengemeinschaft fielen höchst unterschiedlich aus.

Natürlich braucht ein Umdenken Zeit. Ich glaube aber, dass diese Entwicklung schon länger stattfindet. In den letzten Jahrzehnten gab es einen klaren globalen Trend zur Abschaffung der Todesstrafe. Sehr viele Staaten haben die Todesstrafe inzwischen abgeschafft. Es ist nur noch eine kleine Minderheit von 22 Staaten, die die Todesstrafe tatsächlich anwenden.

Im vergangenen Jahr gab auch das zu reden, was sich in den Gebieten abspielt, in denen der «Islamische Staat» aktiv ist: Nämlich Hinrichtungen, von Dutzenden, wenn nicht sogar Hunderten von Menschen. Wie passt diese Entwicklung in das globale Bild, das auch positive Züge hat?

Was terroristische Organisationen wie der «Islamische Staat» tun, sind keine Hinrichtungen, sondern Morde – zum Teil schreckliche Morde. Für Hinrichtungen braucht es einen Staat. Und es braucht Verfahren und Prozesse, in denen die Angeklagten verurteilt werden. Bedauerlich ist, dass Staaten als Reaktion auf diese Verbrechen oft selber zu Gewalt greifen und die Todesstrafe wieder einführen. Jordanien ist ein Beispiel dafür.

Das Land hat als Reaktion auf die grauenhafte Tötung seines Piloten durch den IS wieder Gefangene hingerichtet. Dies nachdem das Land jahrelang keine Hinrichtungen mehr vollzogen hat. Es war ein klarer Akt der Rache, eine populistische Massnahme der Regierung, um der Bevölkerung zu zeigen, dass sie etwas tun, um für Sicherheit zu sorgen.

Das Gespräch führte Daniel Eisner.

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