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Soldaten in Uniform patroullieren in Nizza
Legende: Die Franzosen haben eigentlich ein grosses Vertrauen in ihre Sicherheitskräfte. Doch dieses schwindet zunehmend. Keystone

International Die Wut der Franzosen auf ihre Regierung

Die Franzosen stellen zunehmend die Sicherheitspolitik der Regierung Hollande infrage. Die Opposition will die Stimmung für sich nutzen. Aber hat die Zentralregierung in Paris überhaupt Fehler gemacht? Ein Gespräch mit Frankreich-Korrespondent Michael Gerber.

SRF News: Vor und nach der Schweigeminute in Nizza kam es zu Unmutsbekundungen gegenüber der sozialistischen Regierung in Paris. Die Menschen sind wütend. Warum?

Michael Gerber

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Michael Gerber war von 2011 bis 2017 Frankreich-Korrespondent des SRF. Davor war der 46-Jährige vier Jahre Korrespondent in der Westschweiz und ebenfalls vier Jahre Redaktor und Reporter von «10vor10».

Michael Gerber: Die Menschen leiden unter der Unsicherheit und sie werfen der Regierung vor, nicht genügend Polizisten nach Nizza geschickt zu haben. Sie fühlen sich im Stich gelassen. Hinzu kommen die traditionellen Erwartungen der Franzosen an den Präsidenten. Der sollte fähig sein, alle Probleme zu lösen.

Ist denn der Vorwurf bezüglich des Sicherheitskonzeptes gerechtfertigt?

Nein. Das Sicherheitskonzept war vom Präfekten der Regierung und der Stadtregierung gemeinsam angeschaut und für ausreichend befunden worden. Damit stehen beide Seiten in der Verantwortung – und der Vorwurf des stellvertretenden Stadtpräsidenten, Christian Estrosi, an die sozialistische Regierung in Paris ist als eine politische Stimmungsmache zu werten.

Welche Rolle spielt die politische Debatte rund um den Anschlag von Nizza für die Stimmung im Land?

Ausnahmezustand verlängert

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Nach der französischen Nationalversammlung hat auch der Senat den Ausnahmezustand um sechs Monate bis Anfang 2017 verlängert. Damit können Behörden Hausarreste ohne Richterbeschluss anordnen und Hausdurchsuchungen ohne richterliche Anordnung durchführen.

Die Präsidentschaftswahl vom nächsten Frühling wirft ihre Schatten voraus. Der Wahlkampf läuft eigentlich schon. Die Politiker der Konservativen und der Rechtspopulisten wollen mit dem Sicherheitsthema Stimmen holen und werfen der Regierung nach dem Unfähigkeit oder Überforderung vor . In Wahlkampf wird auch die Migration zum Thema werden, da mehrere der Attentäter aus Einwandererfamilien stammen. Das droht die Gräben in der französischen Gesellschaft weiter zu vertiefen.

François Hollande ist sehr unbeliebt. Seine Wiederwahl scheint gemäss Umfragen praktisch ausgeschlossen. Und trotzdem möchte Hollande weitermachen?

Hollande will im Dezember bekannt geben, ob er im nächsten Frühling noch einmal antritt oder nicht. Entscheidend werde sein, ob bis dahin die Arbeitslosigkeit spürbar zurückgegangen sei, sagt Hollande seit Langem. Mitentscheidend wird sicher sein, wer der Spitzenkandidat der Republikaner sein wird. Das entscheidet sich bei Primärwahlen im November. Sollte es Nicolas Sarkozy sein, könnte Hollande sich höhere Chancen ausrechnen, da er Sarkozy bereits einmal geschlagen hat. Hollande hofft, dass die Franzosen ihn dann als das «kleinste Übel» wählen – im Vergleich zu Sarkozy und der Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Sie haben die Belastung der Gesellschaft angesprochen. Wie fragil ist die französische Gesellschaft aktuell?

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Die Gesellschaft ist stark verunsichert. Es ist ein anderes Gefühl als nach den Januar-Anschlägen gegen Charlie-Hebdo und den koscheren Supermarkt oder nach den Anschlägen vom November 2015. Das Gefühl der Verletzbarkeit hat deutlich zugenommen.

Was mir dabei Sorgen macht, ist das bröckelnde Vertrauen der Bürger in die Sicherheitskräfte. Bislang war dies trotz der Anschläge sehr hoch, doch gerade bei den Le-Pen-Anhängern ist ein deutlicher Vertrauensverlust in die Polizei auszumachen. Dies zeigt eine Umfrage der Zeitung «Le Figaro». Die Gefahr bestehe, dass die Nationalkonservativen zu den Waffen greifen würden, um gegen islamistische Kreise vorzugehen. Dieses Szenario schilderte Inland-Geheimdienstchef Patrick Calvar im Mai vor einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Calvar sprach in diesem Zusammenhang gar vor einem drohenden Bürgerkrieg.

Das Gespräch führte Oliver Roscher

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