Frankreich ist zum dritten Mal innerhalb weniger Monate Schauplatz blutiger Anschläge geworden – trotz Ausnahmezustand und der Präsenz schwer bewaffneter Polizisten und Soldaten. Nach dem Anschlag von Nizza ist eine Debatte um das Sicherheitskonzept entbrannt.
Zahlreiche Politiker stellen die Massnahmen infrage, die Präsident François Hollande nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» im Januar 2015 ergriffen hat.
Die Vorsitzende der rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, warf der französischen Regierung schweres Versagen vor. In jedem Land der Welt wäre ein Minister mit einer so schrecklichen Bilanz wie Innenminister Bernard Cazeneuve zurückgetreten, sagte Le Pen auch mit Blick auf die Opfer der Attentate vom Januar und November 2015 in Paris.
Hat die Sicherheitspolitik des Präsidenten tatsächlich versagt?
Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:
Hat Regierung genug für Sicherheit des Landes getan?
Viele französische Politiker bezweifeln das. Wären alle Massnahmen ergriffen worden, wäre der Anschlag in Nizza nie passiert, kritisiert etwa Ex-Premierminister Alain Juppé. Der konservative Politiker und heutige Bürgermeister von Bordeaux sieht einen zentralen Schwachpunkt in der mangelnden Kooperation der französischen Geheimdienste.
Standen in Nizza genug Sicherheitskräfte im Einsatz?
Nein, lautet die Antwort des Präsidenten der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur (PACA), Christian Estrosi. Er habe seit Monaten Verstärkung angefordert. Der Ex-Bürgermeister von Nizza stellt daher die Frage, wie viele Sicherheitskräfte der Nationalpolizei die Feierlichkeiten überwacht hätten. Bislang habe er noch keine Antwort von Hollande dazu bekommen.
In Paris waren die Sicherheitsmassnahmen am Nationalfeiertag besonders umfangreich. Für die Militärparade auf den Champs-Élysées wurden rund 11'500 Sicherheitskräfte mobilisiert, für das Feuerwerk und das Konzert am Abend rund 2500.
Kann der geltende Ausnahmezustand Anschläge verhindern?
Der Präsident der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Attentat im Jahr 2015 bezweifelt das. «Der Ausnahmezustand regelt nichts. Er beruhigt nur», erklärte Georges Fenech. Die seit Anfang Januar bis zu 10'000 Polizisten und Soldaten, die auf Frankreichs Strassen patrouillieren, hätten nichts an der Situation geändert.
In dem vor wenigen Tagen veröffentlichen Bericht verlangt die Kommission unter anderem das Zusammenlegen der Nachrichtendienste sowie eine Verschärfung der Gesetze.
Aufruf zum freiwilligen Polizeidienst
Innenminister Cazeneuve hat nach dem Anschlag in Nizza alle «patriotischen Franzosen» zum freiwilligen Polizeidienst aufgerufen. Jeder, der wolle, könne sich dieser operativen Reserve anschliessen. Derzeit besteht die Truppe aus 12'000 Freiwilligen, die sich aus der nationalen Gendarmerie und der Polizei rekrutieren. Auf diese Truppe, die schnell mobilisierbar sei, könnten die Präfekten je nach Ereignissen und zur Sicherung von Orten und Veranstaltungen zurückgreifen.
Am Samstag begann in ganz Frankreich eine dreitägige Staatstrauer. Präsident François Hollande beriet mit seinem Sicherheitskabinett. Am Montagmittag soll es eine Schweigeminute geben.
In Nizza selber soll die Promenade des Anglais am Montag wieder vollständig zugänglich sein. Nach der Schweigeminute am Mittag werde der etwa einen Kilometer lange, noch gesperrte Abschnitt wieder für den Verkehr freigegeben, teilte die Stadtverwaltung mit. Für Fussgänger sei die gesamte Promenade schon wieder seit Samstagmittag frei.