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Ein Mann steht vor dem zerstörten Bus in Tunis.
Legende: Zwölf Mitglieder der Präsidentengarde sind beim Attentat auf ihren Bus in Tunis getötet worden. Keystone

International «Dieser Anschlag wird die Bevölkerung zusammenschweissen»

Der Anschlag auf die Präsidentengarde hat Tunesien schwer getroffen. Mittlerweile hat sich der IS zu dem Anschlag bekannt. Nordafrika-Kenner Beat Stauffer glaubt, dass die Regierung jetzt härter gegen die Terroristen vorgehen kann. Denn der Rückhalt in der Bevölkerung für die Terrormiliz schwindet.

SRF News: Was genau ist in Tunis passiert?

Beat Stauffer

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Portrait von Beat Stauffer
Legende: Friedel Ammann

Beat Stauffer berichtet als freischaffender Journalist für verschiedene Medien aus Nordafrika. Er ist auch als Buchautor, Kursleiter und Referent tätig.

Beat Stauffer: Ganz in der Nähe des tunesischen Innenministeriums ist ein Bus explodiert, in dem etwa zwei Dutzend Mitglieder der Präsidentengarde sassen. Zwölf von ihnen sind umgekommen und sehr viele sind verletzt worden. Es ist noch nicht ganz klar, ob es ein Selbstmordattentäter war, der in den Bus gelangen konnte oder ob er sich vor dem Bus in die Luft gesprengt hat.

Hat sich jemand zu dem Anschlag bekannt?

Nein, es liegt kein Bekennerschreiben vor. Aber es gibt keine Zweifel daran, dass es sich um radikal-islamistische Aktivisten handelt, Dschihadisten im weitesten Sinn, die das Land destabilisieren wollen.(Anm. der Redaktion: Mittlerweile hat sich der IS zu dem Anschlag bekannt.)

Am Wochenende sind an der tunesisch-libyschen Grenze zwei Männer mit Sprengstoffgürteln verhaftet worden und in Tunis wurde ein Mann verhaftet, der offenbar unmittelbar davor gewesen sei, einen Anschlag zu verüben. Gibt es da einen Zusammenhang?

Davon ist leider auszugehen. Die Bedrohungslage war schon vor einigen Tagen sehr akut. Jetzt hat sich auf traurige Weise bestätigt, dass Schläferzellen im Land sind, die aktiviert werden können und dass auch von Libyen her Dschihadisten versuchen nach Tunesien einzudringen und dort Anschläge zu begehen.

In diesem Jahr gab es bereits zwei schwere Anschläge auf Touristen in Tunesien. Jetzt ein Anschlag auf das nahe Umfeld des Präsidenten. Ist das ein Zeichen, dass der islamistische Terror in Tunesien stärker wird?

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Ich denke, das muss man so sehen. Es ist auf jeden Fall ein sehr starkes symbolisches Zeichen mit der Bedeutung: «Wir können euch mitten ins Herz treffen.» Der Anschlag wurde, wie erwähnt, etwa 300 Meter vom Innenministerium entfernt verübt, neben dem ehemaligen Hauptsitz der Staatspartei RCD. Viele Tunesier werden sich wohl sagen, «wenn sich die Präsidentengarde selber nicht schützen kann, wie können dann die Sicherheitskräfte Tunesien beschützen?»

Die Regierung bekämpft Dschihadisten und andere radikal-islamische Gruppen seit etwa zwei Jahren sehr aktiv.

Aufgrund des Attentats hat Präsident Essebsi den Staatsbesuch in der Schweiz abgesagt. Was konkret unternimmt die tunesische Regierung jetzt gegen den Terror?

Die Regierung bekämpft Dschihadisten und andere radikal-islamische Gruppen seit etwa zwei Jahren sehr aktiv. Sie versucht, Moscheen zu schliessen, in denen Hetzprediger tätig sind und wo für den Dschihad rekrutiert wird. Sie versucht auch, Terrorzellen auszuheben und kämpft an der Grenze zu Algerien gegen einen Ableger der Al Kaida im Maghreb. Man hat auch die Grenze zu Libyen geschlossen, aber das Problem ist bereits im Land. Es strömen auch Dschihadisten aus Syrien und dem Irak zurück. Die Bedrohungslage ist höher geworden und die Herausforderung für Tunesien ist sehr gross.

Tunesiens Demokratie ist jung. Wie stark wird das Land durch die Anschläge destabilisiert?

Das ist schwierig zu sagen. Ich denke, dieser Anschlag wird die Bevölkerung noch mehr zusammenschweissen. Dieses Mal sind Tunesier und nicht Touristen betroffen. Viele Menschen, die vielleicht für den Islamismus Sympathien hegen, werden jetzt merken, dass ihr Land in höchstem Mass bedroht ist. Die Regierung kann jetzt wahrscheinlich härter gegen Terroristen vorgehen. Von Leuten, die bis anhin vielleicht noch gezögert hätten, ist jetzt kein Widerstand mehr zu erwarten.

Das Gespräch führte Simone Weber.

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