Die Bilder des Kindes drücken den täglichen Schrecken des Bürgerkriegs in wenigen Sekunden herzzerreissend aus. Sie gingen am Donnerstag rund um den Globus – tausendfach über soziale Medien verbreitet.
40 Sekunden, die erschüttern
Das Video zeigt, wie Helfer den Kleinen aus Trümmern bergen und in einen Rettungswagen bringen. Dort sitzt der völlig in Staub eingehüllte Bub mit nackten Füssen auf einem Stuhl. Er schreit und weint nicht – aber der Schrecken ist an seinem stummen Gesicht und seinem leeren Blick abzulesen. Er fasst sich an den blutenden Kopf, bemerkt das Blut an den Händen und versucht dann, es an dem Stuhl abzuwischen. Nach knapp 40 Sekunden ist die Szene vorbei.
Das oppositionelle Aleppo Media Center (AMC) hatte das Video am Mittwochabend nach einem Luftangriff auf den von Rebellen kontrollierten Stadtteil Katardschi aufgenommen. Er habe schon viele Luftangriffe in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo miterlebt und fotografiert, sagte Mustafa al-Sarout.
Von der Aufmerksamkeit überrascht
Der AMC-Aktivist hat unter anderem auch die Bergung des Fünfjährigen gefilmt. Nach seinen Angaben ereignete sich der Angriff um 19 Uhr Ortszeit. «Ich lebe ungefähr 300 Meter vom bombardierten Haus entfernt. Ich eilte zusammen mit drei anderen Aktivisten dorthin», erklärte al-Sarout in einer Mitteilung, die von der Aktivisten Gruppe Syria Campaign verbreitet wurde.
Auch mit dem «Guardian» hat er darüber gesprochen, wie es zu den Aufnahmen kam. «Ich habe schon so viele Kinder gesehen, die aus Trümmern gerettet wurden», sagte Sarout. «Aber dieses Kind, mit all seiner Unschuld, es hatte keine Ahnung, was mit ihm geschah.» Im Gesicht des Jungen habe sich so viel abgespielt, dazu die Mischung aus Staub und Blut, und das alles in diesem Alter.
Dennoch sei er überrascht, für wie viel Aufmerksamkeit die Bilder gesorgt hätten, sagte Sarout – weil sie für ihn Alltag sind. «Diese Kinder werden jeden Tag bombardiert. Es ist kein aussergewöhnlicher Fall», zitiert ihn die Zeitung. «Dieses Kind steht für Millionen syrische Kinder.»
Weder geschrien noch geweint
Der «Guardian» sprach eigenen Angaben zufolge auch mit dem Arzt, der das Kind in Aleppo behandelte. «Er war ängstlich und stand unter Schock», sagte er. «Er war friedlich in seinem Zuhause, vielleicht am Schlafen. Und das Haus wurde über ihm zum Einsturz gebracht.»
Während der Behandlung habe der Junge weder geschrien noch geweint, zu gross sei der Schock gewesen. Er konnte dem Arzt zufolge noch in der Nacht mit einer leichten Kopfverletzung und Prellungen entlassen werden. Auch zwei seiner Geschwister sowie sein Vater seien medizinisch versorgt worden.