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Putin und Poroschenko bei den Minsker Friedensverhandlungen.
Legende: Übereinkunft in beiderseitigem Interesse – nicht mehr, und nicht weniger, meint David Nauer. Keystone/Archiv

International Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann

Schöne Bilder für Kiew, ein Störenfried weniger für Moskau. Die Präsidenten Poroschenko und Putin profitieren beide vom Gefangenenaustausch, sagt unser Korrespondent in Moskau. Euphorie sei trotzdem fehl am Platz – denn andernorts wird munter an der Eskalationsschraube gedreht.

Die Erzfeinde Russland und Ukraine können also doch miteinander reden. Sie haben sich in Geheimverhandlungen auf einen spektakulären Gefangenenaustausch geeinigt. SRF-Korrespondent David Nauer sieht Profiteure allerorten – und gute Gründe für gebremste Euphorie.

SRF News: Ist das ein Austausch auf Augenhöhe?

David Nauer

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David Nauer ist Korrespondent von Radio SRF in Russland. Von 2006 bis 2009 hatte Nauer für den «Tages-Anzeiger» aus Moskau berichtet, anschliessend aus Berlin.

David Nauer: Das würde ich sagen. Russland erhält zwar zwei Männer zurück, die Ukraine nur eine Frau. Es steht quasi 2:1. Aber in diesem Handel mit Gefangenen, den Moskau und Kiew betreiben, haben nicht alle den gleichen Wert. Sawtschenko ist für die Ukraine eine Nationalheldin. In Russland ist das Verhältnis zu den beiden Freigelassenen dagegen deutlich kühler.

Für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko war Sawtschenkos Befreiung eine Top-Priorität. Er kann heute aufatmen?

Für Poroschenko ist das definitiv ein sehr grosser Erfolg. Er hat ja die Befreiung der Kampfpilotin immer wieder angekündigt und versprochen. Und der ukrainische Präsident hat den Erfolg auch dringend nötig. Das Land steckt vor allem wirtschaftlich in einer tiefen Krise. Aber auch das Vertrauen der Bürger in die Regierung ist erschüttert. Die Befreiung von Sawtschenko liefert nun für einmal schöne Bilder.

Die russischen Gefangenen haben weniger symbolische Bedeutung. Was hat der russische Präsident Wladimir Putin von dem Austausch?

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Putin dürfte schlicht froh sein, dass er das Problem nun los ist. Einerseits hat Sawtschenko permanent gedroht, sich im russischen Gefängnis zu Tode zu hungern. Hätte sie das tatsächlich gemacht, hätte das zu einem weltweiten Aufschrei geführt. Andererseits waren die beiden Russen in ukrainischer Hand für Moskau eine relativ peinliche Angelegenheit. Sie haben ja kurz nach ihrer Verhaftung ausgesagt, sie seien aktive russische Soldaten und hätten in der Ostukraine gekämpft. Der Kreml hat allerdings immer darauf bestanden, dass es dort gar keine russischen Soldaten gibt. Die beiden Männer waren also ein Problem für Putin und seine Kommunikationsstrategie. Jetzt, wo die beiden wieder zuhause sind, ist das Problem quasi gelöst.

Die Befreiung von Sawtschenko liefert schöne Bilder für Poroschenko – für einmal.

Darf man den Gefangenenaustausch als Entspannung zwischen Russland und der Ukraine deuten?

Es ist sicher ein Signal der Entspannung und auch ein Zeichen, dass Kompromisse möglich sind. Ich glaube aber nicht, dass dieser Gefangenenaustausch eine grundsätzliche Entspannung in der Ostukraine bringt. Es gehört leider zu diesem Konflikt, dass beide Seiten immer wieder ihren guten Willen bekunden. Gleichzeitig drehen sie aber an der Eskalationsschraube. Die Ukrainer haben erst gestern sieben gefallene Soldaten gemeldet – so viele wie seit einem Jahr nicht mehr. Und auch die pro-russischen Separatisten haben berichtet, sie würden heftigst beschossen von ukrainischer Seite. Die Kämpfe gehen also trotz des Gefangenenaustauschs weiter.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

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