SRF News: Daniela Klette, Ernst-Volker Wilhelm Staub und Burkhard Garweg: Alle drei sind gesuchte Vertreter der dritten RAF-Generation, die sich 1998 aufgelöst hat. Was bedeutet es, wenn diese sich zurückmelden?
Butz Peters: Wenn man sieht, was genau passiert ist, nämlich der Versuch, mit brachialer Gewalt einen Geldtransporter zu überfallen, so spricht alles dafür, dass es sich um eine Art Altersversorgung von ehemaligen Terroristen handelt. Wir hatten in Deutschland schon einmal einen ähnlichen Fall: 1999 war ein Geldtransporter auf einem Parkplatz eines Supermarkts in Duisburg überfallen worden. Mit grösster Gewalt erbeuteten die Täter über eine Million Mark. Auch damals hatte man schon DNA-Material von Daniela Klette und dem heute 62-jährigen Ernst Wilhelm Staub gefunden. Eine Million Mark war ein Haufen Geld. Aber über die Jahre schmilzt auch dieser Betrag. Vor allem, wenn man sich vorstellt, dass drei Menschen davon leben müssen, die keine Chance haben, auf redliche Art und Weise ihr Geld zu verdienen. Schliesslich wird nach ihnen gefahndet.
Eine Million Mark war ein Haufen Geld. Aber über die Jahre schmilzt auch dieser Betrag.
Die RAF hat ihre Anschläge früher jeweils vorbereitet und dazu auch Banken überfallen. Schliessen Sie solch eine erneute Vorbereitungsphase aus?
Neben einer Reihe von einzelnen Anschlägen hatten wir zwei grosse Offensiven der RAF in der Bundesrepublik Deutschland. Das war einmal im Mai 1972: Man kann nachweisen, dass es davor eine Beschaffungsphase gegeben hat, in der die Logistik aufgebaut und eine Vielzahl von Banken überfallen wurde.
Das Gleiche geschah Ende 1976, als sich die zweite RAF-Generation entschied, anzufangen. Auch dort wurde eine Reihe von Banken «gemacht», wie das bei der RAF hiess. Nun könnte man aus den jüngst gescheiterten Überfällen auf Geldtransporter natürlich Ähnliches schliessen. Bloss damals, in den Jahren 1972 und 1976, gab es noch die Vorstellung, dass man eine Revolution durch Anschläge herbeiführen kann. Vor fast 20 Jahren stellte die RAF aber fest, dass das so nicht funktioniert. Das ist das Entscheidende, weshalb es ausgeschlossen ist, dass wir es hier mit einer vierten RAF-Generation zu tun haben.
Die dritte Generation der RAF löste sich 1998 auf. Aber mindestens drei Vertreter verüben heute noch Überfälle. Besteht also weiterhin eine Art RAF-Netzwerk?
Man muss hier differenzieren. Wir wissen von Mitgliedern der zweiten Generation – also von denjenigen, die wieder aus dem Gefängnis raus sind – dass sie untereinander kommunizieren. Aber was unter den Mitgliedern der dritten Generation läuft, weiss so gut wie niemand. Bis zum heutigen Tag ist unklar, wer dieser dritten Generation angehört hat. Drei Täter wurden gefasst, zwei Frauen verurteilt. Ein Mann, Wolfgang Grams, kam 1993 bei einem Feuergefecht mit der Sondereinheit GSG 9 ums Leben. Wir haben zehn Morde in dieser Zeit von 1985 bis 1993. Nur ein einziger ist geklärt. Beim Trio Staub, Klette und Garweg, um das es jetzt geht, besteht dringender Tatverdacht. Aber ansonsten haben wir dichten Nebel über der dritten Generation.
Wir haben in Deutschland dichten Nebel über der Geschichte der dritten RAF-Generation.
Eröffnen die jüngsten Raubüberfälle jetzt möglicherweise Chancen für die Ermittler, dass man die eine oder andere Tat doch noch aufklären kann?
Wenn es den Ermittlern jetzt gelingen sollte, eine, zwei Personen oder das ganze Trio zu fassen, wäre es eine riesige Chance für die deutsche Geschichte, das Kapitel dritte RAF-Generation aufzuarbeiten – zumindest wenn die Personen etwas sagen. Denn für sie geht es um viel: Den Vorwurf, an Morden beteiligt gewesen zu sein. Aber auf der anderen Seite haben wir in Deutschland eine Kronzeugenregelung, bei der schon so mancher ehemaliger RAF-Terrorist, der redete, weniger als die Hälfte der sonst üblichen Strafe absitzen musste.
Das Gespräch führte Andrea Christen.