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International Einige Briten liebäugeln mit dem Schweizer EU-Modell

Kann man sich in Grossbritannien überhaupt vorstellen, nicht Teil der EU zu sein? Wie könnte solch ein Szenario aussehen? Bei der «Brexit»-Diskussion schauen viele Briten immer öfter auf die Schweiz und wie dieses Land inmitten Europas seine Beziehung zur Europäischen Union pflegt.

Die beiden Staaten Grossbritannien und Schweiz einigt vieles. Man ist sich gut gesinnt, auch in Westminster. Im britischen Parlament haben einige der Schweiz freundlich gesinnte Parlamentarier kürzlich zum Apéro eingeladen. Dabei priesen sie bei Weisswein, Swiss Cheese und Bündnerfleisch die Gemeinsamkeiten beider Länder.

Andrew Rosindell, der Vorsitzende der Britisch-Schweizerischen Parlamentariergruppe, lobt die Beziehungen: «Die Freundschaft zwischen unseren Ländern ist etwas ganz Spezielles. Wir haben einen ähnlichen Humor, wir verstehen uns einfach gut. Wir Briten lieben die Schweizer und sie lieben uns.»

Sag, wie hast du's mit Brüssel?

Auch wenn es um das Verhältnis zur EU geht, gibt es einige Parallelen zwischen beiden Ländern. Briten und Schweizer reagieren ähnlich, wenn es um die Beziehung zu Brüssel geht. Die besonderen vertraglichen Beziehungen der Schweiz zur EU haben deshalb zahlreiche Anhänger auf der Insel: Handel und Zusammenarbeit, ohne aber zur Union zu gehören. Oder dann bilaterale Abkommen, statt einer Voll-Mitgliedschaft: All das ist für viele Befürworter eines «Brexit» ein mögliches Szenario für Grossbritannien nach einem allfälligen Austritt aus der Europäischen Union.

So auch für Nigel Lawson, dem ehemaligen Schatzkanzler unter Premierministerin Margareth Thatcher: «Ich finde das Schweizer Modell sehr interessant, und offenbar ist es sehr erfolgreich. So hat die Schweiz zum Beispiel ein ausgezeichnetes Freihandelsabkommen mit Japan abgeschlossen. Grossbritannien kann das als EU-Mitglied gar nicht alleine, nur die Union als Ganzes kann das», sagt der Tory-Abgeordnete im britischen Oberhaus.

Oder doch lieber mitbestimmen?

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Gegner eines «Brexit» sehen das hingegen ganz anders. Will Straw, Kampagnenleiter der Organisation «Britain Stronger in Europe» findet das Schweizer Modell höchst schädlich für Grossbritannien. «Ihr habt, soviel ich weiss, 12 Jahre lang gebraucht für all diese Abkommen. Und wie Norwegen muss ja auch die Schweiz Beiträge zahlen und die EU-Richtlinien akzeptieren, ohne mitreden zu dürfen.» Er bevorzuge daher die Mitgliedschaft, bei dem man auch die Gesetze mitbestimmen könne.

Mitreden will London – wie auch Bern – vor allem beim aktuellen Thema Immigration. Beide Staaten wollen die Zuwanderung drosseln und sind deshalb auf Zugeständnisse aus Brüssel angewiesen. EU-Mitglied Grossbritannien setzt darum auf eine «Notbremse» bei den Sozialleistungen für Neuankömmlinge, während das Nicht-EU-Mitglied Schweiz eine «Schutzklausel» bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative vorschlägt.

Können sich Briten und Schweizer gegenseitig unterstützen?

Hilft es den beiden Ländern, dass sie bei diesen politischen Fragen eine ähnliche Verhandlungsposition haben? Bundespräsident Johann Schneider-Ammann meinte kürzlich bei seinem Besuch in London: «Die Briten haben genug mit sich selbst zu tun, sie werden uns nicht im Wege stehen so wenig wie wir ihnen in irgendeiner Form im Wege stehen. Aber so echt helfen, das liegt wohl nicht drin.»

Auch Bundesrätin Doris Leuthard weilte vergangene Woche in London. Sie kennt harzige Verhandlungen mit der EU aus eigener Erfahrung und gibt unumwunden zu, dass ein EU-Mitglied generell die besseren Karten habe: «Ein Land, das nicht Mitglied ist, kann sicher nicht bessere Konditionen erhalten als ein Mitglied. Das ist für uns schon lange klar, und das merken wir natürlich jetzt konkret bei den Verhandlungen, bei denen wir eine eigene Haltung haben und mehr erreichen möchten. Da merkt man schon, da beisst man auf Granit in Brüssel.»

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