Australien und Indonesien streiten darüber, was mit den Asylsuchenden geschehen soll, die zu Tausenden via Indonesien nach Australien strömen. Der australische Premierminister Tony Abbott hatte vor den Wahlen versprochen, die Asylsuchenden nach Indonesien zurückzuschicken.
Doch Abbotts Plan scheint zu scheitern. Jakarta will die Flüchtlinge nicht, die auf kaum seetüchtigen Booten über das Meer nach Australien gelangen wollen. Die meisten stammen aus dem Iran, Irak und Afghanistan. Sie wollen Indonesien nur als Durchgangsland benutzen.
Keine offiziellen Informationen
Einmal pro Woche ruft Immigrationsminister Scott Morrison die Medien zusammen, nur um ihnen zu sagen, dass er ihnen eigentlich nichts zu sagen hat. Aus operativen Gründen, wie er meint, um den Menschenschleppern nicht die Oberhand zu geben. Journalisten klagen, sie würden in der indonesischen Zeitung Jakarta Post mehr über die Asylproblematik lesen, als sie von der eigenen Regierung erfahren.
Genug von der Geheimniskrämerei, sagt jetzt auch das Parlament, und will Morrison zur Auskunft zwingen. Der Senat will wissen, ob und wie viele Flüchtlingsboote es in der Zeit seit den Wahlen im September nach Australien geschafft haben, und wie viele Canberra nach Indonesien zurückgeschickt hat. Doch Morrison weigert sich.
Stoppen der Boote als Wahlversprechen
Auch Tony Abbott hüllt sich in Schweigen. Ganz im Gegensatz zur Zeit vor den Wahlen, als er den Spruch «Wir werden die Boote stoppen» stets wiederholte. Er hatte der Laborregierung vorgeworfen, sie lasse pro Jahr 50'000 sogenannte Illegale ins Land.
Letzte Woche gab der Premier ein seltenes Fernsehinterview. Es gehe nicht darum, welches der Länder härter sein könne mit dem anderen, meinte er. Es gehe um zwei gute Freunde, die an einem Ergebnis arbeiteten, das im Interesse von beiden liege.
Diese Plattitüden erstaunen nicht. Denn Indonesien hat der australischen Marine offenbar schon mehrfach verboten, Boote in seine Häfen zu schleppen. Nun überlegt sich Jakarta gar, den Australiern die Fahrt in indonesische Gewässer zu erschweren. Das war der Marine bisher gestattet, um Schiffbrüchige aus Seenot zu retten.
Abbott hat Indonesien nicht einbezogen
Überraschend ist dieser Kollaps der bilateralen Beziehungen nicht. Abbott hatte im Wahlkampf rudimentäre Anstandsregeln nicht eingehalten: Er hatte Indonesien weder über seine Pläne informiert, noch gefragt, ob es recht sei, Boote zurückzuschleppen.
Das sei es nicht, macht Devi Fortuna Anwar, Beraterin der indonesischen Regierung, klar. «Die Geografie Indonesiens ist nicht unsere Wahl.» Ihr Land liege nur auf dem Weg nach Australien. Blieben die Leute in Indonesien, würden sie zu Sozialfällen.
Milliarden Exportdollars stehen auf dem Spiel
Für die australische Regierung ist die Situation innenpolitisch höchstgradig peinlich. Denn Abbotts Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. Der grössere Schaden aber könnte wirtschaftlicher Natur sein. Das Nachbarland mit 240 Millionen Menschen ist ein immer wichtigerer Abnehmer australischer Produkte und Dienstleistungen.
Gelingt es Canberra nicht, das Vertrauen wieder herzustellen, und zwar rasch, könnte Australien Milliarden an Exportdollars einbüssen. Andere Länder stehen Schlange, um die rasch wachsende Mittelschicht im grössten muslimischen Land der Welt mit Rindersteaks, Eisenerz und Finanzdienstleistungen versorgen zu können.