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International Erdogan spricht sich auf Grossdemo für Todesstrafe aus

Über eine Million Menschen folgten dem Aufruf des türkischen Präsidenten und nahmen an der Kundgebung in Istanbul teil. Dort stellte Erdogan die Todesstrafe in Aussicht – und kritisierte Deutschland.

  • Mehr als eine Million Teilnehmer an Kundgebung in Istanbul
  • Erdogan sagt, er würde die Einführung der Todesstrafe billigen
  • Erdogan wirft Deutschland Demokratie-Defizit vor

Vor mehr als einer Million Anhängern in Istanbul hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan für die Einführung der Todesstrafe ausgesprochen. Sollte das Parlament dafür stimmen, werde er den Entscheid ratifizieren, sagte Erdogan auf der Massendemonstration unter dem Motto «Demokratie und Märtyrer». Damit setzte sich der türkische Präsident über Kritik aus dem Westen hinweg.

Erdogan: «Mehrheit der Länder hat Todesstrafe»

Erdogan verwies erneut darauf, dass ausserhalb der EU «die überwiegende Mehrheit» der Länder die Todesstrafe habe. Die EU hat angekündigt, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, sollte das Land die 2004 abgeschaffte Todesstrafe wieder einführen.

Vor einem Meer aus roten türkischen Fahnen rief Erdogan auf dem Yenkapi-Platz, der gescheiterte Putsch von Mitte Juli sei ein Meilenstein hin auf dem Weg zu einer stärkeren Türkei. Den «Feinden» sei bewusst geworden, dass von nun an für sie alles schwieriger sein werde. «Wir werden ab jetzt sehr genau prüfen, wen wir unter uns haben.» Das gelte für das Militär ebenso wie für die Justiz. «Die anderen werfen wir zur Tür raus.» Das Netzwerk des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Drahtzieher des Putsches hält, werde zerschlagen.

HDP nicht eingeladen

Überdies hat Erdogan die Einheit seines Landes beschworen und dankte den anwesenden Oppositionsvertretern für ihre Teilnahme. Der Chef der wichtigsten säkularen Partei, Kemal Kilicdaroglu sagte, es habe sich nach dem Putschversuch «eine neue Tür des Kompromisses» aufgetan. Die Politik müsse aus den Moscheen, den Gerichten und den Armeeunterkünften herausgehalten werden, fügte er aber auch hinzu.

Die kurdische HDP war nicht eingeladen. Erdogan wirft der zweitgrössten Oppositionspartei im Parlament Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vor.

Heftige Kritik an Deutschland

Ebenso dankte der Präsident den Türken im Ausland für ihre Unterstützung. Zugleich kritisierte er, dass er sich bei der Kundgebung in Köln vor einer Woche nicht per Videoleinwand zuschalten durfte. «Wo ist die Demokratie?», fragte er. Der Präsident warf deutschen Behörden vor, bei einer früheren Veranstaltung in Köln eine Videoschalte der PKK zugelassen zu haben. «Sollen sie die Terroristen nur ernähren», sagte er. «Wie ein Bumerang wird es sie treffen.»

In Deutschland und Österreich mehrten sich Rufe nach einem Abbruch der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei.

Erdogan trifft «Freund Wladimir»

Seit dem gescheiterten Putsch sind in der Türkei Zehntausende angebliche Unterstützer der Putschisten im Bereich der Polizei, des Militärs, der Justiz, des Bildungswesens und der Verwaltung entlassen oder festgenommen worden. Westliche Politiker haben den Putschversuch verurteilt, aber zugleich das anschliessende massive Vorgehen Erdogans scharf kritisiert. Die Beziehungen zwischen der Türkei und dem Westen haben sich dramatisch verschlechtert. Das hat unter anderem Befürchtungen aufkommen lassen, das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei könnte platzen.

Für Beunruhigung dürfte in der Nato, zu deren Mitgliedern die Türkei gehört, auch sorgen, dass Erdogan am Dienstag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in St. Petersburg trifft. «Was die Gespräche mit meinem Freund Wladimir angeht, so glaube ich, dass eine neue Seite bilateraler Beziehungen aufgeschlagen wird», sagte Erdogan der Nachrichtenagentur Tass.

Abschlussveranstaltung

Die Versammlung, die im Fernsehen sowie auf Grossleinwänden in allen türkischen Provinzen übertragen werden soll, bildet den Abschluss einer langen Reihe von Kundgebungen gegen den Umsturzversuch und für die Demokratie.

Der islamisch-konservative Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte seine Anhänger in der Nacht des 15. Juli auf die Strassen gerufen, um sich den Putschisten entgegenzustellen. Seitdem gab es in Istanbul und Ankara jeden Abend Kundgebungen.

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