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International Erdogans Partei braucht erstmals seit 13 Jahren einen Partner

Nach der Wahlschlappe der AKP in der Türkei steht die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan vor einer schwierigen Regierungsbildung. Kommt keine Koalition zustande, gibt es möglicherweise Neuwahlen.

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Seit mehr als zwölf Jahren ist die AKP an der Macht, am Sonntag verlor sie ihre absolute Mehrheit. Die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan sucht nun mit Hochdruck nach einem Koalitionspartner. Gelingt dies nicht, sind Neuwahlen nicht ausgeschlossen.

Kurden-Partei stoppt Erdogans Pläne

Nach vorläufigen inoffiziellen Ergebnissen kam die AKP auf 40,9 Prozent der Stimmen – nach knapp 50 Prozent vor vier Jahren. Die Wähler erteilten damit auch dem Ziel der AKP eine Absage, eine Verfassungsänderung und ein Präsidialsystem mit Präsident Recep Tayyip Erdogan an der Spitze auf den Weg zu bringen. Die AKP stellte seit 2002 alleine die Regierung.

Ein Plakat mit dem Abbild von Erdogan
Legende: Erdogans Ziel, nach der Wahl seine Machtbefugnisse auszuweiten, erteilten die Türken eine klare Absage. Keystone

Grund für den Verlust der absoluten AKP-Mehrheit ist der Einzug der pro-kurdischen HDP ins Parlament. Bei der Wahl am Sonntag hatte sie mit rund 13 Prozent der Stimmen erstmals die Zehn-Prozent-Hürde überwunden.

Das Ergebnis war eine Niederlage für Erdogan, der die HDP im Wahlkampf scharf angegriffen hatte, obwohl der Präsident nach der Verfassung zur Neutralität verpflichtet ist. Die HDP war mit dem Ziel in den Wahlkampf gezogen, Erdogans Präsidialsystem zu verhindern und hatte vor einer «Diktatur» gewarnt.

Neues Parlament wird «bunter»

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Das neue türkische Parlament wird vielfältiger als das alte. Laut Medienberichten erhielten 98 Frauen Mandate, was einem Anteil von rund 18 Prozent (bisher 14 Prozent) entspricht. Auch die religiöse Vielfalt in dem bis zu 99 Prozent muslimischen Land ist grösser geworden. So erhielten etwa vier christliche Abgeordnete Sitze im Parlament.

Erdogan fordert Feingefühl

An zweiter Stelle lag die Mitte-Links Partei CHP (rund 25 Prozent), die ihr Ergebnis von 2011 fast halten konnte. Die ultrarechte MHP legte zu und kam auf gut 16 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben des Senders CNN Türk bei rund 84 Prozent.

Der von der Opposition teils scharf kritisierte Erdogan sagte, das Ergebnis ermögliche es keiner Partei, allein zu regieren. Er rief die Parteien zu einem verantwortungsvollen Verhalten auf: «In diesem neuen Prozess ist es von entscheidender Bedeutung, dass alle politischen Kräfte sich verantwortungsvoll verhalten und das nötige Feingefühl zeigen, um die Atmosphäre der Stabilität und des Vertrauens sowie die demokratischen Errungenschaften zu bewahren».

Neuwahlen wären möglich

Die AKP kann nun versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden oder einen Koalitionspartner zu finden. Sollte es im neuen Parlament nicht innerhalb von 45 Tagen gelingen, eine Mehrheit für eine Regierung zu finden, kann Präsident Erdogan Neuwahlen ausrufen. Danach muss am ersten Sonntag nach 90 Tagen gewählt werden.

Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus nannte Neuwahlen jedoch «am unwahrscheinlichsten». Er sagte in Ankara: «Die Türkei wird eine Koalitionsregierung ausprobieren.»

SRF-Korrespondentin Ruth Bossart schätzt die Chancen für ein Gelingen jedoch als sehr gering ein. Bossart: «Bisher haben alle Parteien mehr oder weniger deutlich ihr Desinteresse signalisiert.»

Türkische Börse bricht ein

An den Finanzmärkten sorgte der Wahlausgang für Verunsicherung. Der türkische Börsenleitindex ist nach der Parlamentswahl um mehr als acht Prozent eingebrochen. Auch die Landeswährung stürzte auf ein Rekordtief von 2,8 Lira zum Dollar.

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