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Wahlen in Ägypten.
Legende: Wahlkampf in Kairo: Unter den Kandidaten sind viele reiche Geschäftsleute ohne politische Programme. Keystone

International «Es wird wieder wie vor der Revolution gegen Mubarak»

Nach über drei Jahren ohne Parlament stehen am Sonntag in Ägypten endlich Wahlen an. Präsident al-Sisi hat dafür gesorgt, dass das Volk nur die Rückkehr zu den autoritären Strukturen Mubaraks bestätigen kann. Bei allfälligen Störversuchen will das Regime hart durchgreifen.

Am Sonntag sollen nach mehrmaliger Verschiebung die Wahlen im bevölkerungsreichsten arabischen Land beginnen. Die über 50 Millionen Wahlberechtigte wählen in zwei Phasen am Sonntag und Montag sowie vom 21. bis 23. November. Die in Kairo lebende Journalistin Astrid Frefel macht deutlich, dass das herrschende Regime bezüglich Stabilität vorgesorgt hat.

SRF News: Die Wahlen wurden bereits mehrfach verschoben, warum?

Astrid Frefel: Die Verzögerung gab es hauptsächlich wegen juristischer Geplänkel. Mit dem neuen Wahlgesetz sind denn auch die meisten Politiker nicht zufrieden, weil es den Parteien nur eine Nebenrolle einräumt. Zudem gibt es Schikanen wie teure Medizin-Kontrollen. So wurden 200 potenzielle Kandidaten ausgeschlossen, weil sie den Drogentest nicht bestanden.

Politische Debatten gab es im Vorfeld überhaupt nicht.

Was sind die Folgen dieser Schikanen für die Wahlen?

Das Wahlsystem mit einer Mehrheit von leicht zu beeinflussenden Einzelwahlkreisen hat dazu geführt, dass eine riesige Zahl Unabhängiger kandidiert. Darunter sind viele reiche Geschäftsleute und Ehemalige des Mubarak-Regimes. Ein Programm haben sie nicht. Das gilt auch für die Listen mit breit gefächerten Koalitionen, um Präsident al-Sisi die Mehrheit zu garantieren.

Politische Debatten gab es im Vorfeld deshalb überhaupt keine. Einziges Salz in der Suppe ist das Antreten der ultra-konservativen salafistischen Nur-Partei. Sie ist nach der Entmachtung der Muslimbrüder die letzte Stimme des politischen Islam und wird von allen anderen heftig bekämpft.

Astrid Frefel

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Portrait von Astrid Frefel

Die Journalistin lebt und arbeitet seit Ende der Neunzigerjahre in Kairo. Davor war die Ökonomin aus Basel Wirtschaftsjournalistin für verschiedene Zeitungen und berichtete als Korrespondentin für den «Tages-Anzeiger» aus Wien und Istanbul.

Kann jemand dem Präsidenten gefährlich werden?

Nein. Das Resultat steht praktisch schon fest. Auch die Salafisten stehen hinter al-Sisi. So haben sie sich ihr Überleben gesichert. Allen Kandidaten, die antreten, ist gemein, dass sie die Politik des Präsidenten unterstützen. Das gilt vor allem in Bezug auf seinen Kampf gegen den Terrorismus und seine Grossprojekte.

Eine Opposition gibt es nicht. Einige kleine Parteien, die nach dem Sturz Mubaraks vor vier Jahren gegründet wurden, treten gar nicht erst an. Damit ist sichergestellt, dass al-Sisi seine Macht weiterhin ungehindert ausüben kann. Es wird wieder wie vor der Revolution gegen Mubarak sein.

Wie steht es mit der Sicherheit an den Wahltagen?

Die Vorwahlzeit war sehr ruhig. Zum Schutz der Wahllokale wird massiv Polizei und Militär aufgeboten. Der Innenminister hat angekündigt, gegen jegliche Störaktionen massiv durchzugreifen. Es wird rigorose Kontrollen geben. Verschleierte Frauen müssen den Gesichtsschleier lüften, wie die Wahlkommission noch einmal ausdrücklich betonte. Zur Sicherheit, aber wohl auch, um Anhängerinnen der salafistischen Nur-Partei abzuschrecken.

Wo wird Ägypten nach der Wahl stehen?

Theoretisch ist diese Wahl der dritte und letzte Schritt des politischen Neuaufbaus nach der blutigen Entmachtung der Muslimbrüder durch die Armee im Sommer 2013. Die Wahlen sehen aber nicht wie ein Neuanfang aus, sondern eher wie eine Rückkehr zu alten, autoritären Zeiten. Dafür sorgen auch 400 Gesetzesdekrete, die in der Zwischenzeit erlassen worden sind. Die Kräfte der Revolution spielen längst keine Rolle mehr.

Das Gespräch führte Barbara Peter.

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