Zum Inhalt springen
David Cameron umringt von Regierungschefs, wobei ihn niemand anschaut.
Legende: Keiner will mehr so richtig mit dem britischen Premier Cameron (Mitte) beim Familienfoto vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Keystone

International EU-Gipfel macht mächtig Druck auf Grossbritannien

Nach dem britischen Nein zur EU hofft Premierminister David Cameron weiter auf gute Beziehungen. Doch die EU-Staats- und Regierungschefs drängen an ihrem Gipfel in Brüssel auf einen klaren Zeitplan für die Trennung.

Nach dem Brexit-Votum haben sich am Dienstagabend die europäischen Staats- und Regierungschefs in Brüssel zu einem Gipfel getroffen. Der britische Premierminister David Cameron soll dabei darlegen, wie er sich die weiteren Schritte vorstellt.

Von seinen europäischen Partnern musste sich Cameron schon vor dem Gipfel schwere Vorwürfe gefallen lassen. «Grossbritannien ist zusammengebrochen», mit seiner Politik ebenso wie der Währung, der Verfassung und der Wirtschaft, sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte.

Demonstrationen gegen Brexit

Box aufklappen Box zuklappen

In London protestierten am Dienstagabend Hunderte mit EU-Fahnen gegen das Ergebnis des EU-Referendums. Demos gab es auch in Bristol, Cardiff und Oxford. Vor allem junge Menschen fühlen sich von der älteren Generation, die mehrheitlich für den Brexit stimmte, um ihre Chancen betrogen.

Luxemburgs Premier Xavier Bettel warf Cameron vor, sein Land «aus nationalem politischem Kalkül» in die aktuelle schwierige Lage gebracht zu haben.

«Die Bürger Europas haben die ewigen Krisen satt», sagte Belgiens Premierminister Charles Michel. Deshalb müsse Grossbritannien so rasch als möglich das Austrittsbegehren stellen. Europa wolle nicht die Rechnung bezahlen für den Entscheid in Grossbritannien.

Die ungewisse Lage macht die Europäische Union nervös. «Die Unsicherheit, die wir derzeit haben, ist für niemanden gut», merkte der schwedische Ministerpräsidenten Stefan Löfven an.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nannte sie gar das «grösste Problem». «Wir können nicht zu lange warten», mahnte er. Er verwies darauf, dass Grossbritannien die Bestnote AAA bei einigen Ratingagenturen verloren habe.

Die Angst vor einer Hängepartie

«Die Staats- und Regierungschefs der EU sind wie eine Familie, die schon seit langem sehr zerstritten ist. Jetzt aber, angesichts eines gemeinsamen Problems, ist man sich einig und steht zusammen.» So beschreibt SRF-Korrespondent Sebastian Ramspeck die Stimmung am EU-Gipfel in Brüssel. Man dränge darum darauf, dass dieser Auszug, gewissermassen aus dem gemeinsamen Haushalt, möglichst rasch erfolge.

Die Austrittsverhandlungen könne nur die britische Regierung anstossen, wie das im inzwischen berühmten Artikel 50 des EU-Vertrags (EUV) festgeschrieben ist. Er sehe aber nicht vor, einen EU-Staat auszuschliessen, sagt Ramspeck: «Darum haben die EU-Staats- und Regierungschefs nun wirklich Angst, dass es aufgrund der innenpolitischen Lage in Grossbritannien vielleicht Jahre dauern könnte, bis die britische Regierung offiziell den Austritt beantragt und dass dies der EU verunmöglicht, zu geordneten Verhältnissen zurückzukehren.»

Schottland will bleiben

Box aufklappen Box zuklappen

Die Regierungschefin von Schottland, Nicola Sturgeon, will bei einem Besuch in Brüssel die Chancen auf eine weitere Mitgliedschaft in der EU ausloten. Am Mittwoch habe sie ein Treffen mit Martin Schulz, dem Präsidenten des EU-Parlaments. Die Schotten waren mit 62 Prozent der Stimmen für einen Verbleib in der EU.

Planungen bereits ohne Grossbritannien

EU-Ratspräsident Donald Tusk plant bereits jetzt ein weiteres informelles Gipfeltreffen ohne Grossbritannien. Dazu will er für September einladen, wie er in Brüssel ankündigte. Schon am Mittwoch tagen die Staats- und Regierungschefs in diesem neuen Format der verbliebenen 27 Mitgliedstaaten – ohne Cameron.

Premier Cameron selbst erklärte, er setze auch weiterhin auf eine enge Bindung seines Landes an die Europäische Union. «Ich hoffe sehr, dass wir bei Handel, Zusammenarbeit und Sicherheit eine Beziehung anstreben werden, die so eng wie möglich ist.»

Meistgelesene Artikel