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International Flucht vor dem Unrechts-Regime in Eritrea

Sind Menschen aus Eritrea tatsächlich an Leib und Leben bedroht und damit «richtige» Flüchtlinge? Während einige EU-Staaten die Asylpraxis gegen Eritreer verschärfen, will die Schweiz am Asylverfahren nichts ändern. Denn Eritrea leidet unter dem Unrechts-Regime von Machthaber Isayas Afewerki.

Die tausenden Flüchtlinge aus Eritrea, die in Europa und hauptsächlich in der Schweiz abkommen, verlassen ihre Heimat in erster Linie wegen den repressiven Lebensbedingungen. Für Kenner, die sich mit dem nordostafrikanischen Land seit vielen Jahren befassen, ist offensichtlich, dass die Menschen in Eritrea unter einem Unrechts-Regime leiden.

Isayas Afewerki an einer Medienkonferenz (Archivbild von 2004)
Legende: Der eritreische Machthaber Isayas Afewerki führt das Land repressiv seit 1993. Reuters

Seit der Unabhängigkeit 1993 von Äthiopien ist Machthaber Isayas Afewerki Staats- und Regierungschef in einer Person. Für viele Eritreer gilt er bis heute als Freiheitsheld. Denn er führte den Krieg gegen Äthiopien und das Land 1991 in die Unabhängigkeit. 1998 brach erneut ein Grenzkrieg zwischen den beiden Ländern aus, der zwar mit einer UNO-Grenzkommission 2002 befriedet werden konnte. Der Konflikt ist aber bis heute nicht abschliessend beigelegt worden.

Seither habe sich die Situation im Land dramatisch verschlechtert, sagt der Neuenburger Eritrea-Experte, der Anthropologe David Bozzini , der «Tagesschau». Er forschte in und über Eritrea an der Universität von New York (CUNY).

«Nach dem Ende des Krieges hat sich die Regierung extrem radikalisiert und wurde sehr repressiv. Repressiv vor allem, weil sie einen ‹Nationalen Dienst› aufgezogen hat, der einfach unbestimmte Zeit dauert. Die Menschen werden für den Militär- oder Zivildienst eingezogen – fürs ganze Leben. Mit dem repressiven System sollen Desertationen verhindert werden», erklärt Bozzini.

Frauen flüchten in den Sudan – nur Männer erreichen Europa

Die Menschen, die seit der Unabhängigkeit Eritreas geflohen sind, seien daher meist Oppositionelle. Über 300'000 haben das Land verlassen, das sind mehr als 80 pro Tag. «Es sind vor allem junge Männer, die nach Europa flüchten. Auch Frauen flüchten, aber sie bleiben oft im Sudan. Sie wissen, dass sie auf der Fluchtroute durch Libyen sexueller Gewalt ausgesetzt sind», sagt Bozzini.

Junge Eritreer in einem Asylempfangszentrum sitzen auf dem Boden.
Legende: Tausende Eritreer flüchten monatlich vor dem Regime. Frauen bleiben im Sudan zurück, nur die Männer erreichen Europa. Keystone

Die eritreische Regierung habe zwar angekündigt, die Situation zu verbessern. Doch es gebe keine Hinweise, dass dies auch umgesetzt worden sei. Bozzini sieht darum diese Eritreer nicht als Wirtschaftsmigranten ein. «Sie fliehen vor einem totalitären und willkürlichen Regime, das es ihnen unmöglich macht, in ihrem Land sicher zu leben. Die Menschen sind in Eritrea an Leib und Leben gefährdet, jeden Tag.»

Zudem stünden nicht alle Migranten gegen das Regime. Eritreer, die vor längerer Zeit ausgewandert seien, würden die Regierung oft noch unterstützen. Aber viele, die nach 2000 geflüchtet sind, hätten Situationen erlebt, die unvorstellbar seien, sagt Bozzini.

Eritrea beschwert sich bei der UNO!

Auf die Massenflucht aus Eritrea reagiert nun auch das Regime selber: Eritrea hat sich bei der UNO über die «abscheuliche» Flucht von tausenden seiner Bürger nach Europa beschwert. Der Verlust von Menschenleben, die Entbehrungen der Flüchtlinge und die vergebenen Chancen seien «zu abscheulich», um sie näher zu erläutern.

Das erklärte das eritreische Aussenministerium am Samstag. Die Regierung fordere den UNO-Sicherheitsrat daher auf, die Sache zu untersuchen und für «Gerechtigkeit» zu sorgen – auch wenn einige seiner Mitglieder an den «Verbrechen» beteiligt seien.

Im Juni legte eine UNO-Kommission einen Bericht vor, wonach in Eritrea Folter, Misshandlungen und andere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Machthaber Isaias Afewerki baute ein repressives System auf, in dem Menschen willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und getötet werden oder verschwinden.

Gemäss dem UNO-Bericht zufolge fliehen jeden Monat 5000 Eritreer ins Ausland – obwohl die Grenze mit Stacheldraht und Minen gesichert ist und Grenzposten angehalten sind, auf Flüchtlinge zu schiessen.

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