Der französische Nationalfeiertag steht dieses Jahr nicht allein im Zeichen des Sturms auf die Bastille am 14. Juli 1789. Erinnert wird auch an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Dieser begann vor 100 Jahren und forderte zehn Millionen Tote und 20 Millionen Verwundete unter den Soldaten.
An der historisch einmaligen Militärparade auf den Pariser Champs-Élysées beteiligten sich auf Einladung von Präsident François Hollande rund 80 Länder mit je einem Fahnenträger und zwei Begleitern. «Wir sind ihnen Anerkennung schuldig», betonte Hollande. Dies gelte für die Alliierten wie auch die damaligen Gegner.
Frankreich feiert – trotz Krise. Mit dem grossen Defilée, dem traditionellen Interview des Präsidenten am frühen Nachmittag und dem grossen Feuerwerk beim Eiffelturm am Abend. Doch die Krise habe Spuren hinterlassen, sagt Ruedi Mäder rückblickend auf seine fünfjährige Tätigkeit als SRF-Korrespondent in Paris.
Sinkender Einfluss und starke Nachbarn
Von zwei roten Fäden spricht Mäder, wenn er den aktuellen Zustand Frankreichs umschreibt: Zum einen die weiter wachsende und schmerzende Erkenntnis, dass der Einfluss Frankreichs als Land mittlerer Grösse in der Welt weiter abgenommen hat. Ein Realität, welche die Volkseele auch in den politischen Diskussionen und in den Zeitungskommentaren zu hören bekommt.
Zum anderen der stetige Vergleich mit dem benachbarten Deutschland, das in allen wichtigen Bereichen besser dasteht, bei Defizit und Schulden ebenso wie bei Wachstum, Arbeitslosigkeit und Wettbewerb.
Das alles erinnert die Franzosen an ihr altes französisches Gesellschaftsmodell: Der Widerstreit von streikenden Gewerkschaften und Arbeitgebern um höhere Löhne, ein System, das Wettbewerbsfähigkeit durch die Abwertung der eigenen Währung wieder herstellt. Das alles funktioniert heute nicht mehr.
Ein schwacher Präsident
Hinzu kommt laut Mäder, dass Frankreich in seiner allgemeinen Identitätskrise ein Präsident fehlt, der als Vorbild dienen und die dringend nötigen wirtschaftlichen Reformen vorantreiben könnte: «Die meisten Franzosen sind nicht nur enttäuscht von Hollande. Sie gehen auch davon aus, dass er nicht weiss, was er will. Und sie glauben nicht, dass es Frankreich am Ende seiner Amtszeit in drei Jahren besser gehen wird.»
Nicht zuletzt verhindere das geltende Oppositionssystem Kompromisse und tragfähige Lösungen auf längere Dauer.
Improvisationstalent und Kultur als Plus
Beeindruckt war Mäder immer wieder von der Improvisationsgabe und Herzlichkeit, welche den Franzosen eigen seien. Die Leichtigkeit, Probleme und Aufgaben anzugehen. Was manchmal für einen Schweizer etwas chaotisch aussehe, funktioniere am Schluss dann eben doch.
Dazu komme der Stellenwert der Kultur im Land. Ein «Homme de culture» zu sein, sei eigentlich das höchste Ziel der Franzosen, das grosse Ideal und das grösste Kompliment. Und dies ganz im Gegensatz zum überall gepredigten Geld und Erfolg.