Als das kolumbianische Volk am vergangenen Wochenende den Friedensschluss mit den Farc-Rebellen ablehnt, bleibt Präsident Juan Manuel Santos nicht etwa ermattet zurück. Jetzt erst recht, sagt er sich stattdessen. Und führt tags darauf stundenlange Gespräche mit dem Ex-Präsidenten Alvaro Uribe und Andrés Pastrana.
«Der Frieden in Kolumbien ist nah, und wir werden ihn erreichen», lässt sich der Staatschef nach dem Treffen mit seinen Vorgängern zitieren. Zusammen mit dem Nein-Lager will er nun einzelne Aspekte des Abkommens konkretisieren und Unsicherheiten beseitigen.
Rückschlag weggesteckt
Dieser Wille zur Versöhnung, der nicht verzagt und Rückschläge als Chance begreift, hat das Nobelkomitee nun mit dem begehrten Friedenspreis geehrt. «Die Auszeichnung ist absolut verdient», sagt SRF-Lateinamerika-Korrespondent Ulrich Achermann. «Es geht ja darum, einen Konflikt zu beenden, der ein halbes Jahrhundert alt ist.»
Dem 65-jährigen Juan Manuel Santos werden die Politik und die Öffentlichkeitsarbeit quasi in die Wiege gelegt. Sein Grossonkel Eduardo Santos amtiert von 1938 bis 1942 als kolumbianischer Präsident. Sein Vater gibt über 50 Jahre lang die Zeitung «El Tiempo» erhaus.
Dem Handel verschrieben
Geboren und aufgewachsen in der Hauptstadt Bogotá, bleibt sein Horizont nur wenige Jahre auf das eigene Land beschränkt. Als Teenager schreibt er sich an der University of Kansas ein, um sich da einen Abschluss in Volkswirtschaftslehre zu erarbeiten. Daneben studiert er Betriebswirtschaft und Journalismus an der Harvard Extension School und Jura und Diplomatie an der Fletcher School of Law and Diplomacy.
40 Jahre alt steht er verschiedenen Unternehmen vor – etwa einer international gewichtigen kolumbianischen Kaffee-Delegation und der Zeitung «El Tiempo». Damit verfügt er in den besten Jahren über den wirtschaftspolitischen Ausweis, der ihn auch für diverse politische Ämter prädestiniert: 1991 Minister für Aussenhandel, 1992 Leiter der VII. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, 1999 Präsident der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (Eclaf).
Friedensbemühungen nicht skandalfrei
Santos' diplomatische Bemühungen, dass der Terror der Farc beendet würde, setzen bereits 1994 ein. Ab dann steht er der Good Government Foundation vor. Diese schlägt zunächst eine entmilitarisierte Zone vor, damit Friedensgespräche mit der Farc-Guerilla überhaupt möglich werden. Das Problem: Die Rebellen nutzen das Gebiet als Rückzugsort nach Anschlägen, so dass die Verhandlungen scheitern.
2006 wird Santos vom amtierenden kolumbianischen Präsidetnen Alvaro Uribe zum Verteidigungsminister ernannt. In dessen Gunst hat er sich zuvor mit der Gründung der Partido Social de Unidad gebracht – einer Partei, die Uribe den Rücken stärkt.
Santos' Amtszeit verläuft durchaus nicht skandalfrei. Zunächst erlässt die ecuadorianische Justiz Haftbefehl gegen ihn. Dies, weil von ihm angeordnete Luftschläge gegen die Farc die Rebellen zwar empfindlich treffen und ihm die unblutige Befreiung von Geiseln – darunter der französischen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt – ermöglichen. Die Kriegshandlungen setzen aber, so Ecuador, auch die Sicherheit im Nachbarstaat aufs Spiel.
Mit Ziehvater entzweit
In zwei Anläufen gelangt Santos schliesslich zum Präsidentenamt. 2009 verfehlt er die absolute Mehrheit nur knapp. In der Stichwahl ein Jahr später kann er mit fast 70 Prozent der Stimmen den grünen Herausforderer Antanas Mockus definitiv auf seinen Platz verweisen.
Das Erstaunliche: Santos' Wahlprogramm ist zunächst durchaus nicht auf Frieden ausgerichtet. Der Präsident in spe kündigt stattdessen an, dass er Uribes Politik fortschreiben wolle. Heisst: hart gegen die Farc-Rebellen vorgehen.
Präsident Santos hat sich unglaublich stark gewandelt. Vom (...) Mann fürs ganz Grobe zu einer Figur, die (...) anerkennt, dass der Konflikt nur am Verhandlungstisch wirklich zu beenden ist.
Wie er dann aber 2012 erneute Verhandlungen mit der Rebellengruppe einleitet, überwirft sich Santos mit seinem politischen Ziehvater. Anders als der Hardliner Uribe will der neue Präsident den 50 Jahre dauernden Konflikt beilegen, indem er die Gegner wieder an den Verhandlungstisch zwingt.
Dazu Ulrich Achermann, SRF-Lateinamerika-Korrespondent: «Präsident Santos hat sich als Politiker unglaublich stark gewandelt. Vom ehemaligen Verteidigungsminister und Mann für das ganz Grobe zu einer Figur, die wirklich anerkennt, dass der Konflikt nur am Verhandlungstisch zu beenden ist.»
So kämpft Juan Manuel Santos also weiter gegen den Kampf. Wobei er nicht nur die Hälfte des kolumbianischen Volkes vom Frieden mit der Farc überzeugen muss. Eine Herausforderung wird auch sein, einen gemeinsamen Nenner mit seinem einstigen Mentoren Uribe zu finden.
Nur eine Seite geehrt? Friedensforscher Laurent Götschl zur Wahl
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Bild 1 von 20. Am Anfang war ein Schweizer: Henry Dunant erhielt 1901 den ersten Friedensnobelpreis überhaupt. Die Richter ehrten ihn für die Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). Die Organisation erhielt den Preis in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach. So 1917, 1944 und 1963. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 20. Der erste Schritt hin zur UNO: Der damalige US-Präsident Woodrow Wilson erhielt den Preis 1919. Er galt als treibende Kraft bei der Einrichtung des Völkerbundes nach dem Ersten Weltkrieg, der Vorläuferorganisation zur UNO. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 20. Kampf für die Rechte der Schwarzen: 1964 verlieh das Nobelpreis-Komitee den Preis an den US-amerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King. Nur vier Jahre später wurde er in Memphis, im US-Bundesstaat Tennessee, bei einem Attentat erschossen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 20. Ein Kniefall geht um die Welt: Der damalige Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Willy Brandt, bekam den Friedensnobelpreis 1971. Sein Einsatz für die Versöhnung mit ehemals vom Dritten Reich besetzten Ländern – wie Polen – gilt als beispielhaft. Im Bild kniet er vor dem Denkmal für die Opfer des Warschauer Gettos im Jahr 1970. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 20. 1973 erhielt Henry Kissinger, damaliger Nationaler Sicherheitsberater der US-Regierung, zusammen mit dem nordvietnamesischen Politiker Le Duc Tho den Preis für die Arbeit am Friedensabkommen zum Vietnamkrieg. Tho nimmt den Preis nicht an, weil der Krieg dennoch nicht zu Ende ist. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 20. Ein Leben für die Armen: Mutter Teresa wurde 1979 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Sie gründete den «Orden der Schwestern der Nächstenliebe» und kümmerte sich um die Ärmsten in Indien. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 20. Erste Schritte in die Demokratie: Lech Walesa, Gründer der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc, erhielt den Preis 1983. Die Menschenrechtsbewegung und er selbst hatten bedeutenden Anteil am Übergang vom Kommunismus zur Demokratie. Walesa wurde 1990 polnischer Staatspräsident. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 20. Der südafrikanische Bischof Desmond Tutu erhielt den Friedensnobelpreis 1984 für seinen Kampf gegen die Apartheid in seinem Heimatland. Bereits 1960 ging der Preis an einen Anti-Apartheidskämpfer: Den damaligen Präsidenten des African National Congress (ANC) Albert John Luthuli. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 20. Erst in den Neunziger Jahren ist der Kampf vorbei: 1993 erhielten Nelson Mandela (im Bild), späterer Präsident Südafrikas, und der damalige Präsident Frederik Willem De Klerk den Friedensnobelpreis. Zumindest der Kampf um rechtliche Gleichstellung der Schwarzen war nun gewonnen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 20. Unermüdlicher Einsatz für Tibet: Der 14. Dalai Lama wurde 1989 für seinen Kampf für ein entmilitarisiertes Tibet und die Selbstbestimmung der dortigen Bevölkerung geehrt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 20. Friedliches Ende eines Weltreiches: 1990 wurde der russische Präsident Michail Gorbatschow mit dem Friedensnobelpreis geehrt, weil er die Selbstbestimmung der Länder des Warschauer Pakts vorantrieb. Damit ermöglichte er auch den Prozess hin zur Deutschen Einigung. Bildquelle: Keystone.
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Bild 12 von 20. Kampf für Menschenrechte in Myanmar: Die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi erhielt den Preis 1991. Bildquelle: Keystone.
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Bild 13 von 20. Nie davor und nie danach schien der Frieden näher: Palästinenserführer Jassir Arafat (l.), der damalige israelische Aussenminister Simon Peres (M.) und der damalige israelische Premierminister Jitzchak Rabin (r.) ehrte das Nobelpreiskomitee 1994. Sie erhielten den Preis für ihre Bemühungen um den Friedensprozess im Nahen Osten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 14 von 20. 2001 erhielten der damalige Generalsekretär Kofi Annan und die Vereinten Nationen (UNO) den Friedensnobelpreis. Bildquelle: Keystone.
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Bild 15 von 20. Sichere Nutzung von Atomenergie für friedliche Zwecke: Mohammed el-Baradei, Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation erhielt den Preis (zusammen mit der Organisation) im Jahr 2005. Bildquelle: Keystone.
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Bild 16 von 20. Mit Film und Vorträgen gegen den Klimawandel: Ex-US-Vizepräsident Al Gore und der Weltklimarat (IPCC) bekamen den Friedensnobelpreis im Jahr 2007. Bildquelle: Keystone.
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Bild 17 von 20. Nobelpreis mitten in der Krise: 2012 erhielt die Europäische Union den Preis für ihren Beitrag zu Frieden, Entwicklung und Demokratie in Europa. Den Preis nahmen Herman van Rompuy (l., damals Präsident des EU-Rates), Jose Manuel Barroso (M., damals EU-Kommissionspräsident) und Martin Schulz (r., damals Präsident des Europaparlamentes) entgegen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 18 von 20. Stärkung der internationalen Diplomatie und der Zusammenarbeit der Völker: US-Präsident Barack Obama wurde 2009 geehrt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 19 von 20. Kampf gegen chemische Waffen: Im vergangegen Jahr nahm die Organisation für ein Verbot chemischer Waffen (OPCW) den Friedensnobelpreis entgegen. Im Bild: deren Generaldirektor Ahmet Üzümcü. Bildquelle: Keystone.
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Bild 20 von 20. Das Komitee entschied den Preis 2016 an den kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos verleihen für «seine entschlossenen Anstrengungen, den mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg gegen die Farc-Rebellen zu beenden – ein Krieg, der mindestens 220'000 Kolumbianer das Leben gekostet und nahezu sechs Millionen Menschen vertrieben hat.». Bildquelle: Keystone.