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International Fukushima: Beim Wasser ist Land in Sicht

Zwar konnten im japanischen AKW Fukushima die abgebrannten Brennstäbe aus einem der havarierten Reaktoren gesichert werden. Doch eine Stilllegung der vier zerstörten Atommeiler rückt in die Ferne, der Kampf mit dem kontaminierten Wasser bindet fast alle Kräfte.

Das Megaphon kreischt und quietscht. Dabei wollte der Stromkonzern Tepco der kleinen Gruppe von ausländischen Journalisten doch vorführen, dass man die Technik im Griff hat. In Schutzanzügen, mehreren Lagen Socken, Handschuhen und einer Atemmaske geht es zur neuen Reinigungsanlage für kontaminiertes Wasser im havarierten Atomkraftwerk Fukushima.

Neue Filteranlage

Grünes Licht für Sendai

Box aufklappen Box zuklappen

Während in Fukushima die Aufräumarbeiten nur schleppend vorankommen, soll erstmals nach dem GAU wieder ein AKW in Japan ans Netz. Der zuständige Gouverneur hat letztinstanzlich entschieden, dass das AKW Sendai wieder hochgefahren wird .

Ihr Herzstück ist eine lange Reihe von mächtigen Metallzylindern mit vielen Rohren. Seit mehreren Wochen läuft die Fabrik im Probebetrieb, erzählt Tepco-Ingenieur Shiichi Kawamura gedämpft durch seine Atemmaske: «Diese Hochleistungsanlage arbeitet nur mit Filtern und Absorbern ohne chemische Prozesse.» Die Anlage erzeuge weniger radioaktiven Abfall als die bisher betriebene, seit zwei Jahren laufende Reinigungsanlage. Die neue Anlage kann ausserdem einen Drittel mehr Wasser verarbeiten, als die alte.

62 radioaktive Isotope holt die neue Reinigungsfabrik aus dem Wasser. Ausserdem filtert Tepco separat das für Menschen besonders gefährliche Strontium heraus. Die Kapazität beträgt 2000 Tonnen täglich. Das ist fünf Mal so viel, wie jeden Tag neues Grundwasser kontaminiert wird, wenn es auf dem Weg zum Meer in die Keller der verstrahlten Atommeiler läuft.

Der Boden wird vereist

Mit Hilfe der neuen Anlage könnte Tepco das Wasserproblem erstmals unter Kontrolle bringen. Zusätzlich leitet man das Grundwasser teilweise um die Reaktoren herum. Als weitere Massnahme wird bis April eine drei Kilometer lange Vereisungsanlage in den Boden getrieben, um das Grundwasser zu blockieren. Zwischen dem Gebäude und dem Turbinenhaus von Reaktor 4 ist eine lange Reihe von ummantelten Metallstutzen für die Kühlflüssigkeit zu sehen.

AKW-Chef Akira Ono zeigt sich im Gespräch so entspannt wie noch nie: «Ich weiss nicht, ob ich das Wort optimistisch benutzen kann. Aber erstmals seit drei Jahren sind wir in einer Position, dass wir nach vorne schauen können.» Das Wasserproblem habe den Scheitelpunkt überschritten. Danach werde man sich endlich der Stilllegung der Atommeiler widmen können.

Tatsächlich bindet der Kampf mit dem kontaminiertem Wasser bisher fast alle Kräfte. Die Zahl der Arbeiter im AKW ist mittlerweile auf täglich 7000 gestiegen. Das sind mehr als doppelt so viele wie noch im Frühling. Doch nur wenige kümmern sich um die Stilllegung der kaputten Meiler. Dabei will man aus ihrem Inneren das hochradioaktive Material herausholen, das nach dem Schmelzen der Brennstäbe zurückgeblieben ist.

Stilllegung rückt in weiter Ferne

Immerhin ist es Tepco gelungen, aus Reaktor 4 über 1300 abgebrannte Brennelemente zu bergen. Vor der gefährlichen Operation hatten Atomkraftkritiker eine zweite Katastrophe befürchtet. Projektleiter Yunuichi Kagami zeigt daher mit Stolz auf das leere Abklingbecken. Als sie vergangene Woche das letzte Brennelement aus dem Becken herausgezogen hätten, habe es Jubel gegeben. «Alle haben ohne Wochenende rund um die Uhr hart gearbeitet, um diesen grossen Schritt zur Stilllegung zu vollenden», sagt er.

Dennoch erscheint eine Stilllegung wie ein ferner Traum. Denn die anderen drei Reaktoren bleiben wegen der hohen Strahlung für Menschen völlig unzugänglich. Die ferngesteuerten Kranarbeiten auf dem Dach von Reaktor 3 ruhen seit August, nachdem Material ins Abklingbecken fiel. Und die provisorische Schutzhülle von Reaktor 1 wurde zwar gerade an zwei Stellen geöffnet. Aber mit seiner Stilllegung will Tepco nach unbestätigten Informationen erst 2025 beginnen, also fünf Jahre später als bislang geplant. Das havarierte AKW Fukushima bleibt uns noch lange erhalten.

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