Zum Inhalt springen

International Gaddafi-Sohn in Libyen zum Tode verurteilt – und jetzt?

Mit dem Todesurteil gegen Saif al-Islam, einen der Söhne des einstigen Machthabers Muammar al-Gaddafi, schliesst sich ein Kapitel in der jüngsten Geschichte Libyens. Politische Folgen werde das aber kaum haben, sagt ein Kenner des Landes.

Das wurde aus dem Gaddafi-Clan

Günter Meyer

Box aufklappen Box zuklappen
Porträt von Günter Meyer
Legende: Uni Mainz

Günter Meyer ist Professor an der Johannes Gutenberg Universität Mainz. Er leitet zudem das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt und ist Präsident der Europäischen und der Internationalen «Association for Middle Eastern Studies».

SRF News: Einer von Gaddafis Söhnen, Saif al-Islam, ist von einem libyschen Gericht in Tripolis zum Tode verurteilt worden. War das zu erwarten?

Günter Meyer: Es war zu erwarten. Nur die Frage, die sich daraus ergibt, ist, ob so ein Urteil überhaupt zur vollstrecken ist. Es gibt andere Beispiele, etwa der ehemalige Erziehungsminister, der schon 2013 zum Tode verurteilt worden ist. Das Urteil gegen ihn wurde immer noch nicht vollstreckt. Ausserdem gibt es Probleme dadurch, dass es die Sintan-Miliz ist, die Saif al-Islam unter ihrer Kontrolle hat. Doch die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass es früher oder später zur Vollstreckung des Todesurteils gegen den Gaddafi-Sohn kommt.

Menschenrechtsorganisationen befürchteten, Saif al-Islam erhalte kein gerechtes Verfahren. War dies eine berechtigte Sorge?

Das war sicherlich eine berechtigte Angst, zumal Saif al-Islam nicht persönlich beim Gerichtsverfahren dabei gewesen ist. Ihm wurde aufgetragen, er solle sich selber darum kümmern, dass er Verteidiger habe. Das ist aus Menschenrechtsperspektive und aus Sicht der Rechtsstaatlichkeit zweifelhaft. Immerhin war es ein sehr umfangreiches Verfahren mit über 200 Zeugen – von dem her hat man sich Mühe gegeben, hier zumindest grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien zu erfüllen.

Mehr zum Thema

Welche politischen Folgen wird dieses Urteil für Libyen haben?

Ausserordentlich geringe Auswirkungen. Die Bevölkerung hat ganz andere Probleme, als sich mit dem Schicksal von Saif al-Islam zu beschäftigen. Das Land ist als gescheiterter Staat anzusehen. Wir haben zwei Regierungen: Eine international anerkannte im Osten des Landes und eine islamistisch dominierte Regierung im Westen, in Tripolis, wo auch die Verhandlungen gegen Saif al-Islam stattgefunden haben. Hinzu kommt eine Vielzahl von Milizen.

Und in diese Situation hinein ist der sogenannte Islamische Staat gestossen, der sich zunächst in Darna, im Osten des Landes, an der Küste festgesetzt hat. Dann hat er Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungen genutzt, um Sirte zu erobern, die Heimatstadt von Gaddafi. Jetzt ist der IS weiter entlang der Küste bis nahe an die Grenze zu Tunesien vorgedrungen und hat immer mehr Anhänger bekommen. Unter ihnen sind Libyer wie auch Dschihadisten, die aus der ganzen Welt zunehmend nach Libyen kommen.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovitsch.

Meistgelesene Artikel