Der Mann ist Spitze. Seine Schnelligkeit, seine Technik, seine Kraft, einfach alles. Adam Goodes, zweimal bester Australian Footballspieler des Jahres, ist eine lebende Legende. Oder war. Bis er während eines Spiels von einem 13-jährigen Mädchen im Publikum als «Affe» beschimpft wurde. Später äusserte Goodes Mitleid für das Kind, das offenbar nicht wisse, welchen Schmerz es mit seiner rassistischen Äusserung verursache.
Unverständnis für Kultur
Adam Goodes ist Aborigine. Ein australischer Ureinwohner, der seinen Stolz offen zeigt. Nach einem Spiel führte er im Stadion kurz einen Speertanz auf. Das ist eine traditionelle Darstellung in seiner Kultur. Sie wird gerne von jugendlichen Aborigine-Sportlern zelebriert. Seither hat ihn die mehrheitlich weisse Football-Zuschauerschaft verdammt.
Wenn immer Goodes auf das Spielfeld tritt, wird er ausgebuht. «Geh zurück in den Zoo!» und ähnliche Beschimpfungen schreien sie von den Tribünen, manchmal im Chor. Erst hatte sich Goodes noch zu rechtfertigen versucht: «Es ist nicht etwas, über das sich die Leute aufregen sollen», meinte er nach dem Tanz. Man könne doch nicht mit Ärger reagieren, nur weil man etwas nicht verstehe.
Letzte Woche überlegte sich Goodes, ob er sich vom Australian Football verabschieden will. Doch über die letzten Tage erhielt er Unterstützung, auch von Prominenten und von jungen Fans. Die malten sich vor ihren Spielen seine Trikotnummer 37 auf die Haut, als Zeichen der Solidarität. Jetzt will Goodes es nochmals versuchen.
Trotzdem: Der Mythos vom Sport als vermeintlich sozialer Gleichmacher ist zerschmettert. Oftmals hasserfüllte Reaktionen von Kommentatoren und Zuschauern haben in den letzten Tagen gezeigt, dass Sport in Australien durchsetzt ist von Rassismus, Fremdenangst und vor allem von Doppelmoral.
Wenn Weisse dasselbe täten ...
Ein Verhalten, das bei weissen Spielern bestenfalls als exzentrisch beschrieben werde, sei eine Verfehlung, wenn es sich um einen Aborgine handle, klagen Indigene. Für Aborigine-Kinder sei es katastrophal, Goodes' Behandlung miterleben zu müssen. Für viele ist eine Karriere im Footballstadion der einzige Weg, um einem Leben in Armut und Hoffnungslosigkeit zu entkommen. Wie Adam Goodes.
Die Beschimpfungen hätten nichts mit Rassismus zu tun, sagen viele Footballfans, jeder Spieler werde schliesslich mal ausgebuht. Goodes sei einfach ein aggressiver Spieler. Es ist bezeichnend, dass fast nur Weisse so sprechen. Mehrfach wurde Goodes aufgefordert, sich für den Tanz zu entschuldigen. Mehrere Prominente Aborigines dagegen erzählten in den letzten Tagen, sie oder ihre Angehörigen hätten auch schon Erlebnisse gehabt wie Goodes.
Sobald sich Minderheiten nicht benehmen wie einfache Bittsteller, sagen Australierinnen und Australier: Du musst zurück in deine Ecke.
Für den Sozialkommentator und Universitätsprofessor Waleed Aly geht es bei der Affäre nicht einfach um Rassismus. Australien sei generell eine tolerante Gesellschaft. Bis zu dem Punkt, an dem Minderheiten zeigten, dass sie nicht wüssten, wo ihr Platz sei, so Aly im Sender ABC.
«Sobald sich Minderheiten nicht benehmen wie einfache Bittsteller, sagen Australierinnen und Australier: Du musst zurück in deine Ecke.» Adam Goodes treibe die Emotionen deswegen hoch, weil er sich als Aborigine nicht mehr in die Ecke drängen lasse.
In den sozialen Netzwerken erklärten sich derweil Zehntausende Australier unter dem Hashtag #IStandWithAdam solidarisch mit Goodes.