Am Strand von Nea Plagia, einem der unzähligen Urlaubsorte auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki, plantschen kleine Kinder vergnügt im kristallklaren Wasser. Ältere Frauen unterhalten sich fröhlich, junge Paare schlürfen genüsslich an ihrem Cappuccino Freddo.
Für den 25-jährigen Hasan aber ist der heisse Sommertag ein weiterer harter Arbeitstag. Der junge Mann aus Bangladesch läuft den kilometerlangen Sandstrand schon seit Stunden rauf und runter. In seinen Händen hält er diverse Handy-Accessoires.
Er verkaufe vor allem Selfie-Sticks, erzählt er. Das Geschäft laufe aber nicht so recht, es sei schwer: «Ich mag diese Arbeit nicht, dieses Hin und Her in der Hitze, aber einen besseren Job kann ich nicht finden. Also bleibt mir nichts anderes übrig. Soll ich etwa zum Dieb werden, um zu überleben?»
Als fliegender Händler komme er auf einen Tagesumsatz von gerade einmal 10 bis 15 Euro. «Mehr ist nicht drin», sagt Hasan und wischt sich die Schweissperlen aus dem Gesicht.
Was soll ich in Deutschland?
Hasan besitzt keine Aufenthaltserlaubnis und ohne Papiere ist die Chance, eine normale, einigermassen gut bezahlte Arbeit zu finden, gleich null. «Hinzu kommt die Angst, von der Polizei erwischt und ins Gefängnis gesteckt zu werden», sagt er leise und schaut vorsichtig um sich. Trotzdem: Über die so genannte Balkanroute in reichere Länder zu gelangen, sei für ihn nie in Frage gekommen.
Viele sind nach Deutschland gegangen, aber sie finden auch dort keine Arbeit. Sie bekommen dort zwar 300 Euro vom Staat, wenn sie aber etwas zu Essen kaufen und etwas zum Anziehen, ist das Geld schon futsch. «Also, was soll ich da?», fragt Hasan: «Ich möchte hier Papiere bekommen, ich will nicht ständig das Land wechseln.» Doch ohne eine legale Arbeit kein legaler Aufenthalt – ein Teufelskreis, aus dem der junge Mann in Zeiten der Krise nicht ausbrechen kann.
Harte Landung im gelobten Land
Bekannte, die letztes Jahr zusammen mit den neuangekommenen Flüchtlingen nach Deutschland gegangen sind, hat auch der 43-jährige Amin. Auch er kommt aus Bangladesch und verdient sein Geld als fliegender Händler. «Viele meiner Landsleute machten sich mit hohen Erwartungen auf die Reise nach Zentraleuropa», sagt der kleine Mann im gelben Polo-Shirt – doch für die meisten entpuppe sie sich als Alptraum.
«Sie hatten in Deutschland grosse Schwierigkeiten, wurden dann zurück geschickt», schildert Amin. Hier in Griechenland gehe es einigermassen. Auch wenn es nur wenig Jobs gebe. «Ich habe in Mitilini gearbeitet, Erdbeeren in Manolada gepflückt, nun arbeite ich drei Monate hier am Strand und verkaufe Kleider für fünf, sechs oder auch drei Euro», sagt er. Am Ende des Tages komme er vielleicht auf zwanzig, fünfundzwanzig Euro für zehn Stunden Arbeit.
Ich will mich nicht von einem Traum mitreissen lassen und eine Bruchlandung riskieren.
Er selbst versuche, nur mit dem Nötigsten auszukommen, so Amin. Den Rest schicke er seiner Familie in Bangladesch. «Ich habe Frau und Kind. Ich bin seit sechs Jahren hier. In dieser Zeit Jahre habe ich weder sie noch meine Eltern oder meine Schwester gesehen. Mein Sohn war vier Monate alt, als ich gegangen bin. Wir sehen uns nur über Skype. Was soll man machen!»
Amin besitzt die so genannte rote Karte, die belegt, dass er nach dem alten System vor der Asylreform von 2013, einen Asylantrag gestellt hat. Damit darf er zwar nicht arbeiten, er darf aber immerhin vorübergehend in Griechenland bleiben. Chancen, tatsächlich Asyl zu bekommen, hat er als Bangladeschi so gut wie keine.
Bis zur Entscheidung über seinen Antrag gewinnt er aber Zeit. Zeit, in der er seiner Frau und seinem Kind in der Heimat weiterhin finanziell unterstützen kann. Das sei besser als sich vom Traum eines Lebens in Deutschland mitreissen zu lassen und eine Bruchlandung zu riskieren, sagt er.