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International Gewaltausbruch in Kiew – rund 170 Verletzte

Bei Massenprotesten gegen die ukrainische Regierung sind in Kiew mehr als 170 Menschen verletzt worden. Oppositionsführer Klitschko, der ebenfalls Buhrufe erntete, warnte vor einem Bürgerkrieg. Die USA und Deutschland kritisierten die Regierung scharf und forderten ein Ende der Gewalt.

Die verbotene Grossdemonstration mit rund 100‘000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew vom Sonntag ist in schwere Ausschreitungen umgeschlagen. Dabei wurden rund 170 Menschen verletzt.

Angriff auf Parlamentsgebäude

So sprach das Innenministerium von über 70 Polizisten, die behandelt werden mussten, davon 40 in Spitälern. Auf der Gegenseite berichteten Medien von mindestens 100 Verletzten. Darunter seien auch mindestens vier Journalisten.

Einschätzung

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Porträt von Peter Gysling

Die Regierung verliere allmählich die Kontrolle, analysiert SRF-Korrespondent Peter Gysling. «Diese Oppositionsbewegung harrt schon zwei Monate auf dem Unabhängigkeitsplatz aus und man sieht keine Fortschritte», so Gysling. Die gesamte Einschätzung lesen Sie hier .

Hunderte mit Holzknüppeln ausgerüstete und mit Masken vermummte Oppositionelle hatten versucht, Absperrungen im Regierungsviertel zu durchbrechen, um das Parlamentsgebäude zu stürmen. Einige warfen Steine auf die Polizisten, zündeten Feuerwerkskörper und bewarfen Einsatzfahrzeuge der Polizei mit Molotowcocktails.

In einer Videobotschaft richtete sich der Oppositionsführer Vitali Klitschko an die Ukrainer und fordert diese auf, sich an den Protesten gegen die Führung in Kiew zu beteiligen. «Die Regierung hat dem Volk den Krieg erklärt», sagte der Ex-Boxweltmeister. «Wir sind mehr. Ihr werdet hier gebraucht, damit die Ukraine gewinnt und nicht Janukowitsch».

Klitschko schliesst Bürgerkrieg nicht aus

Am Sonntagmorgen kündigte Präsident Viktor Janukowitsch nach einem Treffen mit Klitschko die Gründung einer Kommission an, die sich aus Regierungsmitgliedern und Oppositionsvertretern zusammensetzt. Sie soll versuchen, die Krise beizulegen und dafür am Montagmorgen zusammentreten.

«Ich schliesse einen Bürgerkrieg nicht mehr aus. Doch wir werden jede Möglichkeit nutzen, um Blutvergiessen zu vermeiden», betonte Vitali Klitschko noch am Sonntag.

Unmut über Klitschko

Klitschko war während den Ausschreitungen angegriffen worden, als er versuchte, die wütende Menge zu beruhigen. Auf Fernsehbildern ist zu sehen, wie er mit einem Feuerlöscher besprüht wurde. Bei der Kundgebung gab es insbesondere gegen Klitschko Buhrufe.

Er steht in der Kritik, ohne Plan und unentschlossen zu handeln. Zudem wird ihm vorgeworfen, die zersplitterte Opposition nicht einen zu können. Klitschko hatte sich immer wieder für einen friedlichen Machtwechsel ausgesprochen.

Auch der prominente Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk warnte vor einem «blutigen Machtwechsel»: Der Wandel müsse auf friedlichem Wege erreicht werden.

Nach Meinung von Beobachtern fordern aber vor allem jüngere Demonstranten rasche Veränderungen. «Wir brauchen einen Anführer, der uns heute und jetzt zum Sieg führt. Wir brauchen einen Namen», sagte Dmitri Bulatow, einer der führenden Köpfe der Strassenproteste.

Scharfer US-Appell an alle Seiten

Nach der Eskalation der Proteste rief die US-Regierung zum sofortigen Ende der Gewalt auf. Die Regierung habe die «Grundlagen der Demokratie» geschwächt, indem sie friedliche Proteste kriminalisiere und der Zivilgesellschaft und politischen Gegnern wichtige Rechte aberkenne, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats.

Auch die deutsche Bundesregierung fürchtet eine Zuspitzung des Konflikts in der Ukraine. Der Regierungssprecher rief im Namen der Bundesregierung Opposition und Regierung in der Ukraine zum Dialog auf. Beide Seiten müssten von Gewalt Abstand nehmen.

Neue Gesetze lösten Proteste aus

Das ukrainische Parlament hatte zuvor mehrere umstrittene Gesetze gegen Regierungsgegner verabschiedet. Menschenrechtler kritisierten die Verschärfung der Gesetze gegen Andersdenkende als schwersten Rückschritt in der Ex-Sowjetrepublik seit Jahren. So steht erstmals seit 2001 wieder Verleumdung unter Strafe.

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