International - Giorgio Napolitano sagt Arrivederci
König Giorgio, so nennen ihn die Italiener respektvoll: Giorgio Napolitano, den fast 90-jährigen Staatspräsidenten. Heute wird er sich nach neun Jahren im Amt mit einer TV-Ansprache verabschieden. Damit geht in Italien eine Epoche zu Ende.
Seit 2006 stand Giorgio Napolitano an der Spitze seines Landes. Er war der erste Ex-Kommunist in diesem hohen Amt – ein sehr gemässigter, sozialdemokratisch-reformistischer Ex-Kommunist. Er hatte nicht mehr weitermachen wollen, sagte «il Re Giorgio» 2013, nach seinen ersten sieben Jahren im Präsidentenpalast. Doch dann, als sich nach mehreren erfolglosen Wahlgängen kein Nachfolger fand – zu zerstritten waren die Parteien –, liess er sich überreden, weiterzumachen.
Ein bisschen wenigstens. Jetzt tritt er – müde von den Irrwegen der italienischen Politik – zurück. Hochgeschätzt freilich von den meisten Italienerinnen und Italienern: Sie wissen, was sie an ihm hatten.
Er war der alte Weise, der Dirigent, der ohne ausufernde Gestik das Orchester zu führen verstand, und es daran hinderte, in völliger Kakophonie zu versinken. Er ersparte dem verschuldeten, zunehmend verarmendem Land den Absturz, das Diktat, das Regiment der Troika aus EU-Kommission, europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds.
EU-freundliche Premiers ausgesucht
Napolitano dehnte gewiss seine Kompetenzen als Präsident so weit aus, wie es nur möglich war: Er war Mitwisser, als die EU-Potentaten Silvio Berlusconi aus dem Amt putschten, er wählte eigenhändig und ohne allzu viele Konsultationen dessen Nachfolger, den Wirtschafts-Professor und Ex-EU-Kommissar Mario Monti aus, um die Glaubwürdigkeit Italiens in Brüssel zu erhalten.
Er pickte Montis Nachfolger Enrico Letta aus der Schar der möglichen Premierminister heraus, einen weiteren EU-loyalen Politiker. Und er gab schliesslich dem ungestümen jungen Matteo Renzi die grüne Karte. Er drängte diesem, der in internationaler Ökonomie noch unerfahren war, jedoch einen Finanz- und Wirtschaftsminister auf, der in der EU geschätzt wird: Pier Carlo Padoan.
Mögliche Rolle im Dialog mit der Mafia
Kurz gesagt: Napolitano hielt das Land auf EU-Europakurs. Das gefiel den EU-Kritikern natürlich nicht; der Lega und den Anhängern von Beppe Grillo. Sie warfen ihm vor, Brüssel zuliebe allgemeine Wahlen vermieden zu haben. Und Napolitano stiess auch einige militante Antimafia-Staatsanwälte vor den Kopf, die ihm den Prozess machen wollten. Er soll als Innenminister in den Neunzigern einen Dialog zwischen der Mafia und dem Staat begünstigt oder gedeckt haben.
Doch alles in allem hält sich die Kritik in Grenzen. Und wer immer sein Nachfolger wird, dürfte Schwierigkeiten haben, die Fäden so subtil in der Hand zu behalten wie das «il Re» – der König – verstanden hat.
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