Ein verbleibender zentraler Kritikpunkt im griechischen Schuldenstreit ist der in den Verhandlungen durchgesetzte unabhängige Privatisierungsfond. Die neue Forderung der Europartner und Geldgeber war vielen Beobachtern ein Dorn im Auge.
Auf Twitter entlud sich ein Sturm der Empörung , der seinen Höhepunkt erreichte, als der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman in einem Kommentar in der «New York Times» die Kritik teilte. Die Reformliste mit dem Privatisierungsfonds gehe über Strenge hinaus und komme einer kompletten Zerstörung nationaler Souveränität gleich, befand Krugman.
Christian Keuschnigg, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen (HSG), teilt die Auffassung, dass der Privatisierungsfonds einen noch stärkeren Souveränitätsverlust für Griechenland bedeutet.
Doch sei ein unabhängiger Fonds eine der wenigen Alternativen geworden, damit Griechenland angesichts des verspielten Vertrauens ein glaubwürdiges Bekenntnis zum schwierigen Reformkurs ablegen könne.
Regierung Tsipras mitschuldig an der Strenge der Massnahmen
Auch Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Würzburg und einer der fünf deutschen «Wirtschaftsweisen», betont, dass die griechische Regierung mit dem plötzlichen Verhandlungsabbruch und der unerwarteten Durchführung eines Referendums das ohnehin angeschlagene Vertrauen der Verhandlungspartner zusätzlich zerstört habe.
Dieser Vertrauensverlust widerspiegle sich nun in der Strenge der Auflagen der Verhandlungspartner: Denn das Vertrauen in die griechische Regierung müsse erst zurückgewonnen werden.
Für Bofinger ist klar, dass der Privatisierungsfonds die politische Umsetzbarkeit der erzielten Einigung nicht vereinfachen wird. Der Fonds könne mit einer Pfandforderung der Gläubiger verglichen werden, wobei es um das umstrittene Geschäft gehe, griechisches Eigentum an private Unternehmen zu bringen.
«Griechenland ist kein Sonderfall»
Christian Keuschnigg von der HSG sieht im Privatfond keine Enteignung: Letztlich gehe es darum, Wege zu finden, die griechische Schuldentilgung in Angriff zu nehmen. Dass im Falle einer Staatsinsolvenz Souveränität an die Gläubiger übergehe, sei nichts Neues.
Andere krisengeschüttelte Euroländer wie Spanien, Portugal und Zypern hätten sich auch mit Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des Euro-Rettungsschirms (ESM) abfinden müssen, die für die staatliche Souveränität einschneidend waren.
In Griechenland seien die Ungleichgewichte und entsprechend auch Kosten und Leid zwar viel grösser – Keuschnigg sieht Griechenland aber nicht als Sonderfall: Es würden erprobte Prinzipien angewendet, um die Schuldentragfähigkeit eines insolventen Staates wieder herzustellen. Die Bedingung eines unabhängigen Privatisierungsfonds sei Teil dieser Prinzipien und ein notwendiger Schritt, damit Griechenland eines Tages wieder die volle Staatssouveränität erlangen kann.
Tsipras kann Teilerfolg vorweisen
Keuschnigg zeigt sich optimistisch, dass eine Mehrheit des griechischen Parlaments aufgrund der akuten Finanznot auch der Auflage des Privatisierungsfonds zustimmen wird. Die Probleme der Bankenschliessung und Kapitalverkehrskontrollen würden immer spürbarer, so dass ein Umdenken stattfinde.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras konnte bei der Einigung über einen unabhängigen Privatisierungsfonds zudem auch noch Punkte im eigenen Interesse verbuchen: 12,5 der 50 Milliarden sollen als Kapital für Investitionen genutzt werden. Auch soll der Fonds nicht, wie zunächst vorgesehen, in Luxemburg sondern in Griechenland eingerichtet werden.
Peter Bofinger geht aufgrund dieser Anpassungen davon aus, dass die «Pille für die Griechen etwas leichter zu schlucken» sein wird.
Die «Karawane» sei mit der Einigung am Montag jedoch noch längst nicht am Ziel. Die am griechischen Schuldenstreit beteiligten Politiker befänden sich nach wie vor auf einer Gratwanderung.
In einem nächsten Schritt, so der Professor der Universität Würzburg, müssten die Abstimmungen über das Verhandlungsresultat im griechischen aber auch den betroffenen Parlamenten der Euro-Staaten überstanden werden.