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Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission und Alexis Tsipras, der griechische Ministerpräsident.
Legende: Wer gibt nach? Bild: Jean-Claude Juncker, Präsident der EU-Kommission und Alexis Tsipras, griechischer Premier. Reuters

International Griechischer Schuldenstreit – wenn Spitzenpolitiker pokern

Athen gibt im Schuldenstreit nicht nach und setzt alles auf eine Karte: Die Griechen glauben, dass die Gläubiger dem Euro zuliebe einlenken werden. Aber auch Europas Verantwortliche pokern hoch: Sie glauben, die Angst der Griechen vor einem Euro-Austritt sei zu gross.

Zwei Zitate zeigen exemplarisch, worum es im Poker um den Schuldenstreit zwischen Europa und Griechenland geht:

Deutschlands stellvertretender Bundeskanzler Sigmar Gabriel: «Da sitzen ein paar Spieltheoretiker in Athen, die glauben, am Ende ist die Angst Europas vor einem Ausscheiden Griechenlands so gross, dass wir alles mitmachen und das wird nicht der Fall sein.»

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis: «Athen spielt keine Spiele. Wir bluffen nicht.»

Der Countdown läuft

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Am 30. Juni läuft das Hilfsprogramm für Griechenland aus. Neue Gelder im Umfang von 7,2 Mrd. Euro werden nur gezahlt, wenn sich Geber und Nehmer über die Reformen einig sind. Diese hätten bis heute Donnerstag feststehen müssen. Heute hätte die Euro-Gruppe entscheiden müssen, ob sie den Reformen zustimmen will.

Nachfolgend die Position und Beweggründe der beiden Parteien, die sich gegenüberstehen.

I. Athen und Brüssel pokern auf höchster Ebene.

Reden mögen beide Parteien nicht mehr. Am Sonntagabend brach Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, die Gespräche nach nur 45 Minuten ab. Zu gross waren die Meinungsunterschiede. Das ist eine diplomatische Bankrott-Erklärung.

Deutschland beklagte sich, Griechenlands Vertreter seien – obwohl versprochen – ohne neue Vorschläge zu den Verhandlungen erschienen. Ausserdem seien sie zu spät gekommen. Die Griechen hätten noch in aller Ruhe im Hotel gefrühstückt, während die Europäische Delegation gewartet habe. Das ist ein diplomatischer Affront.

II. Griechische Taktik? Sicher ist: Beide Seiten gehen hohe Risiken ein.

Gibt die griechische Regierung bei den Verhandlungen nach, verliert sie ihre Legitimation. Bei den Wahlen hat sie versprochen, den einfachen Menschen nicht weitere finanzielle Opfer zuzumuten.

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Geben die Spitzenpolitiker Europas nach, verlieren sie die Glaubwürdigkeit vor ihren Wählern. Wie sollen deutsche Politiker ihrem Volk erklären, dass es noch einmal zahlen soll, dazu noch ohne klare Bedingungen? Wie soll ein portugiesischer Politiker vor seinem Volk den harten Sparkurs im eigenen Land rechtfertigen?

III. Beide Parteien sind gezwungen, weiterzuspielen.

Scheitern die Verhandlungen und zahlt Europa nicht, geht Griechenland bankrott und wird wahrscheinlich aus der Eurozone austreten müssen. Das wollen die meisten Griechen nicht. Denn: Die Folgen sind kaum abschätzbar.

Die Zahl der Europäer, die den Grexit wollen, wächst zwar, doch sind das meistens nicht jene, die in der Verantwortung stehen. Einer, der Verantwortung trägt, ist der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz. Er will «bis zur letzten Sekunde verhandeln».

IV. Zu gewinnen gibt’s bei dieser speziellen Partie nichts. Es geht nur darum, die Verluste zu minimieren.

Es gibt jene Experten, die im Grexit Chancen sehen. Aber viele warnen: Falls Athen aus dem Euro raus ginge und eine neue Währung einführen würde, verlöre diese sofort an Wert, da sie niemand will. Die Kosten für Alltagsprodukte würden explodieren, Import-Waren wie Medikamente unerschwinglich werden.

Europa wiederum fürchtet, dass sich Griechenland bei einem Grexit China oder Russland zuwenden könnte. Weitere Länder könnten dem Beispiel Griechenlands folgen und den Euroraum verlassen. Die Spekulanten wären eingeladen, auf die Abschwächung des Euros zu wetten.

V. Beide demonstrieren Stärke und erhöhen den Einsatz.

Die Europartner lassen verlauten: Sollten die Verhandlungen scheitern, ist der Notfallplan in der Schublade parat, um den griechisch-europäischen Zahlungsverkehr zu kontrollieren. Der Plan sieht laut der sueddeutsche.de vor, in Griechenland die Abhebungen an Geldautomaten und der elektronische Zahlungsverkehr einzuschränken und jener ins Ausland zu sperren. So soll ein Bankensturm und ein grosser Abfluss von Banknoten verhindert werden.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras seinerseits behält sich neu die Option vor, die am 30. Juni fällige, gebündelte Tilgungsrate an den IWF in Höhe von knapp 1,6 Milliarden Euro nicht zu bezahlen. Dies, falls es bis Ende des Monats zu keiner Einigung mit den Gläubigern kommen sollte.

VI. Dies ist ein Poker, der keiner sein dürfte. Zu hoch sind die Einsätze, auf beiden Seiten.

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