Zum Inhalt springen
Papst Franziskus und der Patriarch Kyrill I.
Legende: Das Treffen sollte auf neutralem Boden stattfinden, wo man sich nicht Jahrhundertelang bekämpft hatte. Reuters

International Historischer Brückenschlag auf Kuba

Zum ersten Mal überhaupt kommt es heute zu einer Begegnung zwischen dem Papst und dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche. Nicht nur die Spaltung der christlichen Kirchen, auch aktuelle Konflikte belasten die Beziehung. Dennoch kann nun ein neues Kapitel Kirchengeschichte geschrieben werden.

Mit dem Treffen zwischen Papst Franziskus und dem russisch-orthodoxen Patriarch Kyrill I. in Havanna auf Kuba könnte ein neues Kapitel Kirchengeschichte geschrieben werden: Zum ersten Mal seit der Gründung des russisch-orthodoxen Patriarchats vor 450 Jahren kommt es zu einer persönlichen Begegnung zwischen den Oberhäuptern der beiden grössten christlichen Kirchen.

Orthodoxe Kirchen

Box aufklappen Box zuklappen

Katholiken und Orthodoxe gehen seit der grossen Kirchenspaltung, dem Schisma aus dem Jahr 1054, getrennte Wege. Die «orthodoxe Welt» ist in mehr als ein Dutzend unabhängige Kirchen zersplittert. Der grösste ist der russisch-orthodoxe Zweig mit rund 150 Millionen Gläubigen.

Einer Annäherung stand bislang die jahrtausendealte Spaltung der West- und Ostkirchen im Wege, doch auch aktuelle Konflikte belasten ihre Beziehung. SRF-Fachredaktor Hansjörg Schultz gibt Aufschluss über die Bedeutung des Treffens und seine Hintergründe.

  • Die Spaltung

Die Spaltung zwischen der West- und Ost-Kirche ist fast 1000 Jahre alt. 1054 kam es zum sogenannten Schisma, die orthodoxen Kirchen des Ostens wollten sich dem Alleinvertretungsanspruch Roms nicht mehr unterwerfen. Im byzantinischen Reich galt stattdessen der jeweilige Patriarch als Kirchenoberhaupt. Daraufhin erliess der Papst einen Bann über die Orthodoxie, über die gesamte Ostkirche, der erst 1964 wieder zurückgenommen wurde.

  • Aktuelle Konflikte

Hansjörg Schultz

Box aufklappen Box zuklappen

Hansjörg Schultz arbeitet seit 1995 beim SRF. Bis 2010 leitete er die Redaktion Gesellschaft auf DRS 2 und bis 2014 die Religionsredaktion. Schultz war zudem vier Jahre Moderator bei den Sternstunden Religion. Heute realisiert und moderiert er Sendungen für «Kontext» und «Musik für einen Gast» auf SRF 2.

Konflikte gibt es aktuell vor allem zwischen Rom und der russisch-orthodoxen Kirche. Nach dem Ende der Sowjetunion vor über 25 Jahren begann die Katholische Kirche mit einer massiven Missionierungstätigkeit in Russland. Dagegen hat sich die Orthodoxie heftig gewehrt, weil sie sich für alleine zuständig auf russischem Territorium hält.

In jüngster Zeit gab es vor allem Streit um die Ukraine. Dort gibt es eine ukrainisch-katholische Kirche, die sehr viel Zulauf hat und in ihren Zeremonien durchaus orthodox ist, sich aber dem Papst in Rom unterstellt hat. Und dann gibt es andererseits die grosse ukrainisch-orthodoxe Kirche, die zum Moskauer Patriarchat gehört. Zwischen beiden Kirchen wird grundsätzlich gestritten, ob die Ukraine eher zum Westen oder eher zu Russland tendieren soll. Und es geht nicht zuletzt um grosse kirchliche Besitztümer.

  • Gemeinsamkeiten

Den Orthodoxen und Katholiken ist das Evangelium, also das Glaubensbekenntnis zu Jesus Christus, gemein. Sowohl die Orthodoxie als auch der Katholizismus haben ja keine Reformation erfahren, sind also streng hierarchisch und eher konservativ ausgerichtet. Politisch teilen sie aktuell die Sorge um die zunehmende Christenverfolgung vor allem im Nahen und Mittleren Osten.

  • Unterschiede

Der markanteste Unterschied besteht sicher darin, dass sich die Orthodoxen Kirchen ausschliesslich als eine Gott verehrende Glaubensgemeinschaft empfinden. Sie lehnen den Papst als Vertreter Gottes und den Anspruch auf Unfehlbarkeit grundsätzlich ab. Ein Patriarch oder Metropolit gilt nur als erster unter gleichen im Bischofsgremium. Ein weiterer interessanter Unterschied: In der orthodoxen Liturgie wird nur gesungen – auf Instrumente, sogar auf die Orgel wird verzichtet.

  • Vielversprechende Begegnung

Im Hinblick auf die Jahrhunderte lange Trennung und Feindschaft ist das Treffen zwischen Franziskus und Kyrill hochbedeutsam, weil es eine Art Startsignal sein könnte für ein gegenseitiges Verständnis und für gemeinsame Antworten auf die grossen Probleme unserer Zeit wie Krieg, Verfolgung, Flucht.

Ökumene

Box aufklappen Box zuklappen

Die Ökumene bezeichnet die Einigungsbestrebungen innerhalb der christlichen Kirchen, die seit dem Ende des 1. Weltkriegs immer wirksamer geworden sind. Sie fand ihre institutionelle Gestalt vor allem im Ökumenischen Rat der Kirchen sowie den lokalen Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen.

Der Kern von Ökumene ist ja, dass man die gegenseitige Entfremdung überwindet. Wenn das Gespräch auf höchster Ebene freundschaftlich verläuft, dann wird die eigentliche Arbeit beginnen für den Aussenminister des Papstes, Kardinal Kurt Koch und seinen Moskauer Kollegen, dem Metropolit Hilarion.

  • Kuba als Begegnungsort

Das mit Kuba ist eher Zufall. Patriarch Kyrill wollte kein Treffen auf europäischen Boden, da man sich hier Jahrhunderte lang bekämpft hat. Der Papst hat gesagt: Ich komme überall hin. Und da nun Kyrill gerade sowieso auf Kuba ist und der Papst morgen nach Mexiko fliegt, macht man nun halt einen Zwischenstopp auf dem Flughafen von Havanna.

Meistgelesene Artikel