Es ist selten, dass Fatou Bensouda von einem «strahlenden Tag» für die internationale Strafjustiz spricht. Doch der Montag dieser Woche sei so ein Tag gewesen. Denn erstmals in der Geschichte habe mit Senegal ein afrikanisches Land ein ehemaliges Staatsoberhaupt aus einem anderen afrikanischen Land verurteilt – den ehemaligen Diktator Tschads, Hissène Habré .
Das sei ein vielversprechendes Modell, das hoffentlich wiederholt werde, findet die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Denn alle Bemühungen, Verantwortliche für ihre Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen, seien äusserst wichtig.
Ständige afrikanische Kritik an der Schwarzafrikanerin
Würde der afrikanische Kontinent seine schlimmsten Verbrecher vermehrt selbst vor Gericht stellen, dann stünde wohl auch Fatou Bensouda als Chefanklägerin etwas weniger unter Beschuss.
Bensoudas Heimat Afrika ist ein schwieriges Pflaster für die gebürtige Gambierin. Immer wieder muss sie sich Kritik anhören – meist von afrikanischen Politikern: Der Strafgerichtshof sei ein neokoloniales, rassistisches Gebilde. Europa habe mit dem ICC ein neues Mittel gefunden, sich in Afrika einzumischen. Grund für die Kritik: Die Prozesse am ICC in Den Haag betrafen bisher ausnahmslos Afrikaner.
Bensouda hat kein Verständnis für die Kritiker: «In fünf von den aktuell acht Fällen vor dem ICC haben die afrikanischen Staaten selbst den Gerichtshof um Hilfe gebeten. Sie könnten also nicht behaupten, der ICC verfolge die afrikanischen Staaten.» Es sei sogar umgekehrt: Diese verfolgten den ICC.
«Die Opfer wollen Gerechtigkeit.»
Die grosse Frau im langen, blauen Kleid mit typisch westafrikanischen Stickereien wirkt sehr ernst, ruhig und besonnen. Die Worte der 55-Jährigen aber sind klar. Besonders dann, wenn sie von den Opfern von Kriegsverbrechen und von Mord, Vergewaltigung und Folter erzählt: «Die Opfer wollen Gerechtigkeit.»
Von den Opfern vernehme sie kaum Kritik am ICC. Die Zusammenarbeit mit ihnen stellt das Strafgericht aber immer wieder vor Herausforderungen, denn Opferaussagen seien äusserst wichtige Beweismittel.
Umso frustrierender für die Chefanklägerin, wenn Opfer derart bedroht oder bestochen werden, dass die Anklage nicht genügend Zeugen vorbringen kann und darum der Prozess platzt. Zuletzt sei das geschehen vor zwei Monaten im Fall des kenianischen Vizepräsidenten William Ruto.
Prozesse auch ausserhalb Afrikas
Fatou Bensouda hat ihre Lektion daraus gelernt. Sie will sich in Zukunft vermehrt auf andere Beweismittel stützen. Dazu gehören Videos, Tonaufnahmen, Dokumente und die Gerichtsmedizin.
Und das gilt nicht nur für die Fälle aus Afrika. Anfang Jahr hat der ICC entschieden, erstmals in einem Fall ausserhalb Afrikas zu ermitteln, in Georgien. Zudem laufen Vorermittlungen in neun nicht-afrikanischen Ländern. Betroffen sind auch Grossbritannien und die Ukraine. Kommt es in einem dieser Fälle tatsächlich zum Prozess vor dem Strafgerichtshof, dann werden vielleicht auch die kritischen Stimmen aus Afrika leiser werden.