Einer der fünf auf mysteriöse Weise verschwundenen Hongkonger Buchhändler hat sich gestern überraschend zu den Vorfällen geäussert.
Lam Wing-kee sagte, er sei von den chinesischen Behörden über mehrere Monate gegen seinen Willen festgehalten worden.
Mit verbundenen Augen transportiert
«Ich hatte fürchterliche Angst, da ich nicht wusste, was sie mit mir anstellen würden», so Lam gegenüber Journalisten. Nach seinem Grenzübertritt sei er von den Behörden festgenommen worden.
Danach habe man ihn mit verbundenen Augen mehrere Stunden durchs Land transportiert. Sein Arbeitskollege Lee Po sei dagegen direkt von chinesischen Beamten aus Hongkong entführt worden.
Intrigen und Liebesabenteuer
Er sei mehrmals über die in China verbotenen Bücher verhört worden, so Lam weiter. Die Hongkonger Buchhändler waren auf Klatschbücher spezialisiert, darin ging es um angebliche Intrigen und Liebesabenteuer der chinesischen Führung.
Der Wahrheitsgehalt der Bücher ist umstritten, bei chinesischen Lesern waren sie dennoch beliebt. Lam Wing-kee sagt, er habe die Bücher auch an Kunden in China geschickt, weil diese die Bücher dort nicht kaufen konnten.
Ich wurde nicht entführt
Lams früherer Arbeitskollege Lee Po widersprach heute den Entführungsvorwürfen. «Ich bin nicht von chinesischen Agenten entführt worden», schrieb Lee auf seiner Facebook-Seite. Lee sagte bereits nach seiner Rückkehr nach Hongkong, dass er aus freien Stücken nach China gereist war.
Erzwungene Geständnisse
Die fünf Buchhändler verschwanden im vergangenen Jahr zu verschiedenen Zeitpunkten. Bald vermutete die Hongkonger Bevölkerung, dass China hinter der Aktion stecken musste.
Die Hongkonger Buchhandlung und der dazugehörige Verlag waren den chinesischen Behörden nämlich schon lange ein Dorn im Auge.
Da die Bücher in Hongkong erlaubt sind, deckten sich chinesische Touristen dort damit ein und brachten sie zurück nach China.
Anfang Jahr tauchten die verschwundenen Männer dann plötzlich im chinesischen Fernsehen auf. Dort gestanden sie, gegen verschiedene Gesetze verstossen zu haben.
Lam Wing-kee hat sein Geständnis nun wieder zurückgezogen. Die Behörden hätten ihn dazu gezwungen. Für Amnesty International beweist Lams gestrige Aussage, dass die chinesische Regierung konzentriert gegen die fünf Buchhändler vorging.