Zum Inhalt springen

International IKRK im Irak vor der Herausforderung des Jahrzehnts

Während die irakische Armee und ihre Verbündeten auf Mossul vorrücken, stehen die Bewohner der Stadt vor einer schwierigen Entscheidung: Fliehen und das Leben riskieren? Oder bleiben und das Leben riskieren? Das IKRK versucht fieberhaft, für die Bevölkerung das Nötigste bereitzustellen.

SRF News: Sie arbeiten fürs IKRK in Bagdad. Wie viele Zivilisten vermuten Sie in Mossul?

Sarah Alzawqari: Wir rechnen mit über einer Million Menschen, die betroffen sein werden. Das sind sehr viele Menschen, die das Nötigste brauchen werden: Unterbringung, Essen, Trinken und medizinische Versorgung.

Eine Million Flüchtlinge: Wie kann das IKRK so viele Menschen versorgen?

Das ist natürlich eine unglaublich grosse Zahl an Menschen. Es gibt bereits über drei Millionen Flüchtlinge im Irak. Wir vom Roten Kreuz können derzeit gut 300‘000 Menschen helfen. Natürlich vergrössern wir jetzt täglich und wöchentlich unsere Kapazitäten. Wenn die Menschen zu fliehen beginnen, kommen sie aber nicht auf einen Schlag, sondern sie kommen in Schüben. Bis jetzt haben wir solche Situationen immer meistern können. Wir wissen, dass wir bereits jetzt vielen Leuten helfen können. Morgen noch vielen mehr. Und in einigen Monaten noch mehr.

Wie viele Kinder und alte Menschen vermuten Sie unter den Flüchtlingen?

Das ist schwer zu sagen. Aber generell gibt es im Irak sehr viele Kinder; viele Familien, Alte und Frauen, die Hilfe brauchen. Aber ob jemand aus Mossul flieht oder nicht, ist ein sehr schwieriger Entscheid. Es gibt viele Waffen, Minen und Bomben, die noch nicht explodiert sind. Und jetzt sind auch noch die Gefechte losgegangen.

Die Kriegsparteien sollen unterscheiden zwischen Zivilisten und Kämpfern, zwischen zivilen Gebäuden wie Spitälern und Schulen und solchen des Militärs.

Versucht das IKRK, die verletzlichsten Menschen aus der Stadt herauszuholen?

Wir können nicht in die Stadt Mossul hinein. Aber wir können den Menschen, die aus Mossul fliehen, dort helfen, wo wir zugelassen sind. Wir haben Stationen in der näheren Umgebung. Dort versorgen wir die Leute mit Essen, Wasser, Decken, Besteck, Kochsets und Hygienesachen – also mit allem, was die Leute brauchen, um wieder von Null zu beginnen. Weil die Menschen mit nichts anderem fliehen, als den Kleidern, die sie tragen. Wir haben zudem unsere medizinische Hilfe vor Ort vergrössert. Wir haben in den vergangenen Monaten auch Leute in erster Hilfe ausgebildet, Ärzte und Assistenten natürlich, aber auch sonstige Leute aus der Gesellschaft. Wir versuchen also über mehrere Kanäle, den Menschen zu helfen.

Eine IKRK-Fahne an einem zerstörten Gebäude in Bagdad (Archiv).
Legende: Das Rote Kreuz kann nicht in die Stadt rein. Es besteht die Gefahr, dass Menschen als Schutzschilde benutzt werden. Keystone/Archiv

Bevor Sie helfen können, müssen die Menschen Mossul also verlassen. Wie?

Es ist schwierig für uns, das zu wissen. Vor dem Beginn der Kämpfe gab es viele Szenarien zu verschiedenen Fluchtwegen. Darüber haben wir lange und intensiv mit den Kriegsparteien gesprochen. Wir werden das auch weiterhin tun. Und sobald es Fluchtwege gibt, werden wir die Menschen an den nächstmöglichen Punkten ausserhalb der Stadt in unsere Obhut nehmen.

Wie gross sind Ihre Hoffnungen, dass die Kriegsparteien, insbesondere der IS, die Menschen nicht als Schutzschilde benutzen?

Hoffnung ist ein grosses Wort in einer komplizierten und komplexen Situation. Aber was wir immer tun können, ist die Botschaft wiederholen, dass die Zivilisten die höchste Priorität haben sollen. Dass alle Kriegsparteien unterscheiden zwischen einem Zivilisten und einem Kämpfer. Sie sollen unterscheiden zwischen zivilen Gebäuden wie Spitälern und Schulen und solchen des Militärs. Wir werden diese Botschaft wiederholen, weil das unsere Aufgabe ist und auch der Krieg Grenzen hat.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Meistgelesene Artikel